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Lager der Arbeitsamen

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Vieie Annanger aer vvf naoen in „Innerösterreich“ — das ist, von Vorarlberg aus gesehen, das ganze Österreich jenseits des Arlbergs — nach den letzten Gemeindewahlen sich geradezu konsterniert gezeigt und meinten, mit diesen Ergebnis sei sozusagen die Götterdämmerung der ÖVP herangekommen. Nichts wäre aber unrichtiger als diese Annahme. Wie wir in einer Vorschau auf die Wahlchancen bei den Vorarlberger Gemeindewahlen deutlich machten, war dieses Wahlergebnis mehr oder weniger sicher zu erwarten gewesen (FURCHE 9/75). Wir haben gesagt, daß der Bregenzer ÖVP-Bürgermei-sterkandidat farblos sei und keine Chance habe, gegen dsn amtierenden SPÖ-Bürgermeister anzukommen, und daß der FPÖ-Vizebür-germeister von Bregenz (der fünf Jahre zuvor Steigbügelhalter für den SPÖ-Bürgermeister gewesen war) politisch mehr oder Weniger abgewirtschaftet habe. Das hat ebenso zugetroffen wie die Prognose, daß auch in Bludenz der SPÖ-Bürgermeister seine Position halten, wenn nicht ausbauen werde, daß in Lustenau — der größten Marktgemeinde Österreichs mit heute rund 14.000 Einwohnern — der FPÖ-Bürgermeister haushoch wiederum gewinnen werde und ebenso, daß in den ÖVP-Hochburgen Dornbirn und Feldkirch die ÖVP erneut die Zweidrittelmehrheit erreichen oder nur knapp verfehlen würde, dies dank ihrer im Amt befindlichen tüchtigen Bürgermeister.

Alle diese Vorhersagen haben sich als richtig erwiesen. In Vorarlberg sind nun einmal Gemeindewahlen etwas anderes als Landtagswahlen und Landtagswahlen etwas anderes als Nationalratswahlen. Bei Gemeindewahlen spielt die Persönlichkeit des Bürgermeisters — nur in seltenen Fällen auch des Vizebürgermeisters — eine dominierende Rolle. Da sich in Bregenz der SPÖ-Bürgermeister Mayer nachhaltig für Bregenz eingesetzt hatte und in den letzten fünf Jahren geradezu Großartiges .für Bregenz geleistet hatte (Autobahntunnel durch den Pfänder, wie die Bregenzer ihn haben wollten und wollen, während die ÖVP das Bodenseeufer damit verschandeln, wollte; neues Festspielhaus mit Kongreßzentrum; neues Großhotel; Spielbank; Sanierung der Ortsdurchfahrt), konnte dagegen keine Partei ankommen, die nichts Brauchbares für Bregenz anzubieten hatte. Sogar die merkwürdig anmutende Politik von Bürgermeister Mayer, alle in Vorarlbergs anderen Städten seit jeher angesiedelten Landeszentralstellen einschließlich der Dornbirner Messe nach Bregenz zu verlegen, üm so aus Bregenz eine wirkliche Landeshauptstadt zu machen (was Bregenz nicht ist), kam ihm bei den Bregenzern zugute, führte freilich zur Bestätigung der ÖVP-Herrschaft in Dornbirn und Feldkirch, um dieser Bregenzer SPÖ-Großmannssucht zu begegnen.

Nicht viel anders verhält es sich mit der deutlichen Verstärkung der absoluten SPÖ-Mehrheit in Bludenz. Bürgermeister Hermann Stecher hat es in den letzten fünf Jahren sehr gut verstanden, für Bludenz aktiv zu sein. Das neue Rathaus ist zwar ein

architektonisch scheußlicher Bau und paßt in die schöne Landschaft keineswegs, aber danach fragt doch der Bludenzer Bürger nicht, sofern nur überhaupt etwas Wichtiges unternommen wird. Das aber ist geschehen. Auch ist auf Jahrzehnte hinaus nicht vergessen, daß der letzte ÖVP-Bürgermeister, weil er nicht wieder aufgestellt worden war, 1970 eine Wahlempfehlung für die SPÖ abgegeben hatte, wie es auch den ÖVP-Kandidaten nicht gelang, dem SPÖ-Bürgermeister Paroli zu bieten.

Die beati possidentes haben in Vorarlbergs Städten gesiegt, ebenso in Lustenau, wo dem FPÖ-Bürger-meister Robert Bosch kein auch nur annähernd adäquater ÖVP-Kandi-dat entgegengestellt werden konnte (die SPÖ spielt in Lustenau traditionell keine Rolle).

Es ist eigenartig, daß die großen Gemeinden auch die Gemeinde*-fmanzen für die Werbung für die jeweilige Mehrheitspartei zur Verfügung stellen mußten. Ob SPÖ, ÖVP oder FPÖ, wo diese Parteien in den Großgemeinden dominieren, wurde ihre Wahlwerbung vom Rathaus ausgesandt, der Bregenzer Bürgermeister tat überhaupt so, als ob die Stadtgemeinde ihm und seiner Partei gehöre, der ÖVP-Bürgermeister von Dornbirn wurde durch auf sicher nicht unbedingt private Kosten gemanagte Werbeslogans nach Kärntner ÖVP-Muster propagiert.

Aus den Vorarlberger Gemeindewahlen als ausgesprochene Persönlichkeitswahlen den Schluß zu ziehen, daß die Vorarlberger im Herbst mehr Stimmen für die SPÖ abgeben werden als das letztemal, wäre ein arger Trugschluß. In Bregenz wird es vermutlich keine SPÖ-Mehrheit geben und auch sonst hat die SPÖ keine Chance, mehr als ihre bisherigen Nationalratsmandate zu erlangen. Wozu noch kommt, daß die SPÖ wegen ihrer notorischen Gegnerschaft gegen den Föderalismus, mit ihrer Kirchenfeindlichkeit (Fristenlösung) und mit ihrer Abneigung gegen die in Vorarlberg so hoch eingeschätzte Vorrangstellung der Arbeit gegenüber dem Vergnügen ohnehin keine Chance hat, wenn es um die Bundespolitik geht, Einbrüche ins Lager der Arbeitsamen (ÖVP und FPÖ) zu erzielen.

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