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Gastspiel des American National Ballet Theatre
Zum erstenmal gastierte ein großes ausländisches Ensemble bei den Wiener Festwochen. An acht Abenden zeigte das American Ballet in der Volksoper zwei Programme mit je vier Werken. ' Das vor 13 Jahren gegründete Ensemble will das „Wertvollste der klassischen europäischen Tradition erhalten und es mit dem kraftvollen Geist Amerikas verbinden“. Das geschieht nicht in „direkter“ Synthese, etwa in jedem einzelnen Ballett, sondern man pflegt mit der gleichen Intensität die verschiedenen Stile, von denen zumindest zwei für Europa und Amerika charakteristisch und gültig sind: das klassische Ballett aus der russisch-französischen Schule und der amerikanische abstrakt-groteske Sketch. In diesen beiden Gattungen wird Perfektes, Hocherfreuliches und Amüsantes geleistet, während ein drittes Genre, die in einzelne Bilder zerlegte, teils mimisch, teils tänzerisch dargestellte Handlung, unserem Geschmack weniger entspricht („Till Eulenspiegel“ nach Richard Strauss, „The Harvest According“ nach Musik von Vergil Thomson und „Rodeo“ nach A. Copland).
Bezeichnend, daß bekannte russische Choreographen als Schöpfer der großen klassischen Nummern genannt werden: Michel Fokine schuf nach einer Suite von Tänzen, Priludes und Nocturnes von Chopin die romantischen, duftiggelösten „Sylphide s“, Georg Balanchine eine großartig komponierte, in einzelne! Kombinationen kühne Variationenreihe nach Tschaikowsky, und nach der bekannten Choreographie Marius Petipas tanzten die Primaballerina, die bildschöne Kubanerin Alicia A1 o n s o und Igor Youskewitch den Grand Pas de deux aus „S c h w a n e n s e e“ von Tschaikowsky. — Hier bereits zeigte sich eine Virtuosität und technische Perfektion, die das vollbesetzte Haus der Volksoper zu Beifall auf offener Bühne begeisterte und die in den beiden Stücken des amerikanischen Spezial-Genres Triumphe feierten.
Zu „F a n c y Free“ schrieb Leonard Bernstein eine schlagkräftige, tänzerische Musik, die man als Synthese zwischen Gershwin und Strawinsky charakterisieren könnte. Drei Matrosen (Enrique Martinez, Eric Braun und John Kriza) tragen in einer Hafenkneipe einen Tanzwettkampf um die Gunst zweier Schönen aus und zeigen dabei jene schlacksige und disziplinierte Gelenkigkeit, die man vielleicht nicht zu Unrecht als besonders typisch empfindet. Gleichfalls von Jerome Robbins wurde die Choreographie zu „Interplay“ nach Musik von Morton Gould geschaffen: vier kurze Szenen, die liebenswürdig die Spiele der Kinder parodieren und nicht nur den Ausführenden, sondern auch dem Publikum ein im schönsten Sinn kindliches Vergnügen bereiten.
Wien steuerte das von Joseph Levine und Paul Stauß geleitete Volksopernorchester bei und nahm die „Huldigung einer Gruppe junger Künstler einem hervorragenden Zentrum der Kunst gegenüber“ — wie der amerikanische Botschafter den Zweck dieses Gastspiels definierte — gern und mit viel Beifall entgegen.
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