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Drei Ballettabende
Da auf die Bedeutung unseres Opernballetts sowie auf den Widerspruch zwischen seiner Leistungsfähigkeit und dem Aschenbrödeldasein, das es führt, wiederholt hingewiesen wurde, sei anläßlich des , letzten Ballettabends im Theater an der Wien gestattet, uns auf einige kritische Anmerkungen zu beschränken. Die „Symphonie classique" von Prokofieff, das „O r p h e us" - B al 1 e 11 von Strawinsky, der „Zauberladen" von Rossini- Re spighi und die „P o 1 o w e t z e r Tänze" aus Fürst Igor von Borodin: das ergab als Gesamteindruck ein buntes, ja allzubuntes Bild und erforderte stilistische Umstellungen und Sprünge, die nicht mehr mit Virtuosität, sondern eigentlich nur noch mit Routine zu bewältigen sind. Hierzu kamen beim klassischen Ballett nach der Musik von Prokofieff gewisse technische Mängel, die unvermeidlich sind bei einem Ensemble, das nicht jenem harten jahrelangen Training unterworfen ist, das diese schwierige Kunstform bekanntlich erfordert. Sehr erfreulich war die Aufnahme eines so wichtigen anspruchsvollen und wegweisenden modernen Balletts, wie Strawinskys „Orpheus" in das Programm, mit dessen Choreographie man sich im großen und ganzen einverstanden erklären kann. Wohl wissen wir um die Alternative zwischen einer partiturgetreuen Interpretation, deren Anwalt begreiflicherweise die Musiker sind, und Her szenischen Verwirklichung, die an die Möglichkeiten und Bewegungsformen des menschlichen Körpers gebunden ist, der seinen eigenen Gesetzen unterworfen ist. Doch darf es, zugunsten . der letzteren, nicht Vorkommen, daß plastische musikalische Phrasen unberücksichtigt bleiben und längere Pausen oder Fermati glatt „übertanzt" werden. „Der Zauberladen" stellte das Ballett, trotz einiger Längen, vor eine wohl dankbare, das heißt publikumswirksame, aber künstlerisch wenig ergiebige Aufgabe. Die „Polowetzer Tänze” schließlich, am Ende dieses langen Programms, bewährten sich zwar als rauschendes und farbenfreudiges Finale, waren aber doch nicht viel mehr als eine Kraftver- scbwendung an einem wenig interessanten Objekt, zumal ja gerade dieses Ballett als Einlage zu Boro- dins Oper sehr bekannt ist. Von den Bühnenbildern Stefan Hlawas und den Kostümen Erni Knie- p e r t s seien besonders die zu Strawinskys „Orpheus" hervorgehoben, die das höchste Lob verdienen. (Musikalische Leitung: Michael Gielen.)
Ein Tanzabend im Mozart-Saal verdient vor allem wegan seines, interessanten Programms sowie durch die Tatsache, daß ausschließlich jüngere Kräfte am Werk waren, Beachtung. Neben kleineren Tanzspielen nach Musik von Pisk, Gershwin und Senft ist das Ballett „Ein Lebe n" — Thema und Variationen von Robert Schol l um — sowie Hindemiths 1924 geschriebene und seinerzeit oft aufgeführte Tanzpantomime „Der Dämo n" hervofzuheben. Die anspruchsvolle Musik von Schollum und das heikle, nur aus der Atmosphäre der zwanziger Jahre verständliche Sujet des „Dämons" wurde mit jugendlichem Elan, zuweilen auch mit einer gewissen Naivität angepackt und nicht ganz ohne Simplifizierungen gemeistert. Ueber manche Klippen kamen die jugendlichen Tänzer und Choreographen Erika Schwammberger, Helene D o n k a und Gerhart Senft mit glücklichem Schwung hinweg, während sie, wie zu erwarten war, über andere prompt stolperten.
Die Katholische Filmgilde hatte zu einem festlichen Abend ins Schönbrunner Schloßtheater geladen, dessen Programm durch Umstellung und Improvisation noch bunter wurde als vorgesehen war. Nach kleineren Solotänzen der Schülerinnen aus der Tanzgruppe Rosalia C h 1 a d e k und Chorvorträgen der
Sängerknaben der Schotten folgte, als Hauptstück des zweiten Teils, ein dreiteiliges Tanzdrama nach Marienliedern des 14. -und 17. Jahrhunderts, „Das Mar i e n leb en", von Rosalia, Chladek erdacht und ausgeführt. Wie immer man über die Möglichkeit der Erneuerung des kultischen Tanzes denken mag, einer Kunstform, deren Tradition durch Jahrhunderte, genau genommen durch mehr als ein Jahrtausend unterbrochen war: wir wissen diese Versuche bei der ernsten, gewissenhaften und verantwortungsbewußten Künstlerin Rosalia Chladek in guten Händen. Auf das Thema „Kult und Tanz", das Pater Dr. Georg Strangfeld SJ. in einem einführenden Vortrag von grundsätzlicher Bedeutung behandelte, werden wir in einer der nächsten Folgen der „Furche" ausführlich zurückkommen.
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