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Das grobe Kostumfest

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Nach welchen Maßstäben soll man die Leistungen eines Ballettensembles beurteilen, das nach acht Jahren zum ersten Mal wieder Gelegenheit hat, sich mit einem eigenen Abend vorzustellen, besser gesagt: in Erinnerung zu rufen? Das Publikum mag es mit Wohlwollen und mit Nachsicht tun (und hat es getan). Der Kritiker darf es nicht. Eine andere Frage ist, wem das bescheidene Resultat einer so großen Anstrengung anzulasten ist...

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Nach welchen Maßstäben soll man die Leistungen eines Ballettensembles beurteilen, das nach acht Jahren zum ersten Mal wieder Gelegenheit hat, sich mit einem eigenen Abend vorzustellen, besser gesagt: in Erinnerung zu rufen? Das Publikum mag es mit Wohlwollen und mit Nachsicht tun (und hat es getan). Der Kritiker darf es nicht. Eine andere Frage ist, wem das bescheidene Resultat einer so großen Anstrengung anzulasten ist...

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Auf dem Programm des Premieren abends in der Volksoper standen drei Ballette. Strawinskys „Feuervogel“, nach einem russischen Märchen von M. Fokine 1910 für Diaghilews Truppe choreographiert, war Janine Charrat anvertraut. Mit diesem Werk verbinden sich Vorstellungen von szenischer Pracht und tänzerischer Höchstleistung. Schon nach der Uraufführung beklagte sich der Komponist darüber, daß die Choreographie „zu kompliziert, zu überladen, mit bildhaften Einzelheiten“ war. Aber was hätte er erst zu der Aufführung in der Wiener Volksoper gesagt? Die Musik der bekannten Konzertsuite ist nur halb so lang. Um so mehr Aufmerksamkeit hätte man den schwächeren Partien, vor allem aber der plastischen Gestaltung und Herausarbeitung der Gegensätze (Welt des Feuervogels und der Prinzessin) widmen müssen. Hier hat die Choreographin, von Wolfram Skalicki unterstützt, zuviel „inszeniert“, zuviel gezaubert, wobei das eigentliche tänzerische Element zu kurz kam. Die Leistung von Elisabeth Stelzer in der Titelrolle war mehr ambitioniert als geglückt und machte oft den Eindruck des Leichtathletischen, wobei die Betonung gern auf „leicht“ liegen mag. In Gerhard Senft (Zarewitsch) hatte sie einen eleganten, wohltrainierten Partner, in Melitta Ogrise eine poetische Gegenspielerin. Recht eindrucksvoll war auch Walter Kolman als Zauberer Kastschei (im Programmheft fälschlich als Köstschei bezeichnet).

Weitaus besser gelang das Concerto in F nach Gershwins bekanntem Konzert für Klavier und Orchester, dessen Solo Rudolf Buchbinder auf der Bühne virtuos und mit schönem, großen Ton spielte. Alan Johnson als Choreograph hat das Stück gewissermaßen als Ballettetüde inszeniert und den Exercisecharakter durch auf der Bühne postierte und herabhängende Scheinwerfer unterstrichen. Hier gab es hübsche Einzelleistungen (Hedi Richter—Gerhard Senft, Christina Klein—Walter Kolman, Melitta Ogrise—Eduard Djam-bazian) und von der rhythmisch brisanten Musik inspirierte Ensembletänze. Auch die einfachen Kostüme

Ronny Reiters waren der Musik und der Inszenierung angemessen. „Der Zauberladen“, ein von Ottorino Respighi arrangiertes und Instrumentiertes Rossini-Potpourri, mag den herzlich freuen, der die „Puppenfee“ nicht kennt. Aber die ist einfallsreicher und witziger. Mehr als zwei Dutzend Solisten und das Corps waren hier beschäftigt, und für alle hatte sich Dia Luca etwas Hübsches ausgedacht. Skalicki schwelgte in Schaubudenzauber und Ronny Reiter machte ein rechtes Kostümfest daraus. Ladenbesitzer und exaltierte Damen (Christa Maurer und Nives Stambuk), Touristen und ein Bauer nebst „Gattin“ und Kindern, Schaufensterpuppen und eine Puppenkönigin, Spielkarten, Marionetten und Zinnsoldaten — alles durfte tanzen, hüpfen, springen und allerlei Allotria treiben. Trotz aller Turbulenz (oder gerade deshalb?) war das Stück um mindestens eine Viertelstunde zu lang und eher für eine Kindernachmittagsvorstel-lung geeignet.

Aber nicht nur dem Ballett gehörte der Abend, sondern auch das Volksopernorchester durfte sich „konzertierend“ vorstellen, und es hat unter der Leitung von Dietfried Bernet diese Gelegenheit mit Eifer und gutem Gelingen wahrgenommen. — Aber war das Ganze auch künstlerisch befriedigend? Diese Frage muß leider, eher verneint werden. Das Corps de Ballet und seine Solisten trifft keine Schuld.

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