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Ballettfrühling mit Gästen

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Nicht weniger als 16 Abende hatte das Staatsopernballett im Jänner und Februar im Großen Haus am Ring und in der Volksoper. Mehr als früher in einer ganzen Saison. Mit diesem (jahreszeitlich vorverlegten) Ballettfrühling wurde eine Forderung erfüllt, die wir seit rund 25 Jahren an dieser Stelle und auch in Leitartikeln gestellt haben. Dabei hatten wir tapfere Mitstreiter, vor allem das Staatsopernballett selbst und seinen langjährigen Leiter, Aurel von Milloss, dazu noch einige Kritikerkoliegen von anderen Zeitungen. Aber alle Bemühungen waren vergeblich, da sich unter den vier letzten Direktoren der Staatsoper kein Ballettfreund befand. Nun hat die Staatsoper in der Person des Dr. Seefehlner einen solchen - und in Gerhard Brunner einen ambitionierten und sachkundigen Ballettdirektor.

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Nicht weniger als 16 Abende hatte das Staatsopernballett im Jänner und Februar im Großen Haus am Ring und in der Volksoper. Mehr als früher in einer ganzen Saison. Mit diesem (jahreszeitlich vorverlegten) Ballettfrühling wurde eine Forderung erfüllt, die wir seit rund 25 Jahren an dieser Stelle und auch in Leitartikeln gestellt haben. Dabei hatten wir tapfere Mitstreiter, vor allem das Staatsopernballett selbst und seinen langjährigen Leiter, Aurel von Milloss, dazu noch einige Kritikerkoliegen von anderen Zeitungen. Aber alle Bemühungen waren vergeblich, da sich unter den vier letzten Direktoren der Staatsoper kein Ballettfreund befand. Nun hat die Staatsoper in der Person des Dr. Seefehlner einen solchen - und in Gerhard Brunner einen ambitionierten und sachkundigen Ballettdirektor.

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Die Ballettabende während der letzten Wochen mit brillanten Gästen und unseren eigenen Solisten samt Corps konnten einen einhelligen Erfolg bei Publikum und Kritik für sich buchen, und die Wiener Festwochen 1977 stehen gleichfalls im Zeichen des Balletts. Solche Impulse sind in mehrfacher Hinsicht von Wichtigkeit: Unsere eigenen Tänzer sehen hervorragende Kollegen und werden durch deren Leistungen herausgefordert (und hoffentlich nicht frustriert). Ein Blick auf die Programme mit ihrer sehr geschickten Mischung von Eigenproduktionen und Gaststücken erweist das. Und ferner wird das breite Publikum durch so glänzende Namen wie Judith Jamison, Michail Baryschni- kow, Gelsey Kirkland, Magali Messac und Franęois Kraus angezogen. Und wenn dann noch ein „Pas de Duke” nach Musik von Ellington, choreogra- phiert von Alvin Ailey, auf dem Programm steht, ist das attraktiv auch für ein Publikum, das nicht gerade zu den Stammgästen der Bundestheater gehört.

Nachdem sich die meisten Gäste bereits mit einer Gala in der Staatsoper vorgestellt hatten und von Publikum und Presse lebhaft gefeiert wurden, konnte man auch den folgenden fünf Abenden mit optimistischer Erwartung entgegensehen. Da eine Besprechung sämtlicher Ballett-Soireen an dieser Stelle nicht viel mehr sein könnte als eine Aufzählung von Namen, möchten wir uns auf die Volks- opern-Gala beschränken und versuchen, Bilanz zu ziehen.

Es begann also dieser Abend mit „Etüden” nach den vielstrapazierten und auch heute noch die Anhänger quälenden Klavierstücken von Carl Czerny in der Instrumentierung durch Knudage Riisager, choreographiert von Harald Leander. Das ausschließlich von hauseigenen Kräften getanzte Ballett ist eines der hübschesten dieser Art und gibt einen Blick hinter die Kulissen einer Trainingsstunde frei. Aber wir hatten dieses bereits vor 30 Jahren choreographierte und wäh rend der Milloss-Ära bei uns erstauf- geführte Ballett als witziger, pikanter, parodistischer in Erinnerung. Jetzt entsprachen einigen - auch unabsichtlich - falschen Tönen im Orchester auch mehrere nicht ganz perfekte Bewegungen. Es brillierten eigentlich nur noch die Solisten, mit Judith Ger-, ber an der Spitze (Heidenreich, Wilhelm und Karl), während das Corps einige Wünsche offenließ.

Das gleiche gilt auch für „Souvenirs” nach Musik von Samuel Barber, die Todd Bolender choreographierte. Es ist dies das einzige Ausstattungsballett des Abends (Rouben Ter-Arutunian) mit Georg Dirtl als Lebemann und Marialuise Jaska als wirklich „eleganter Dame”. Das ebenfalls von Bolender choreographierte Ballett „The Still Point” auf 3 Sätze von Debussys (einzigem) Streichquartett hat in der In terpretation der beiden Hauptpartien durch Susanne Kirnbauer und Franz Wilhelm sehr gewonnen. Ebenso bewährt sich die Ausstattung durch Rolf Langenfass.

Doch waren an diesem Abend die „Einlagen” das Wichtigste: Zunächst der „Pas de deux” aus „Le Corsaire” von Drigo, choreographiert von Petipa. Das ist sonst eine beliebte Nummer zur Demonstration technischen Könnens, wurde aber in der Interpretation Gelsey Kirklands und Michail Bary- schnikows wesentlich mehr: ein dramatisches Duett voller Lyrismen und Kraftentfaltung. Hier wie in dem „Pas de Duke” auf Musik von Ellington” von Alvin Ailey choreographiert, konnten die beiden großen Stars Judith Jamison und Michail Baryschnikow ihr stupendes Können zeigen. Natürlich lag der überlangen dunkelhäutigen Amerikanerin die Musik ihres Landsmannes mehr, und sie hat daraus einen hinreißenden Tanz geschaffen. Baryschnikow blieb neben ihr ein wenig blaß, zeigte aber mit jedem Sprung, jeder Geste, was für ein hervorragender Tänzer er ist. Doch soll man ihn mit Nurejew nicht vergleichen. Sie haben nur die Spitzenqualität und ihre Herkunft und Schulung gemeinsam, sind aber von völlig verschiedenem Typus. Wollte man Baryschnikow vergleichend beschreiben, so könnte man andeutungsweise an seinen großen Landsmann Nijinski erinnern. Mit ihm hat er die Anmut und die fließenden Bewegungen sowie die Sprungtechnik gemeinsam.

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