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Divertimento, Dichtung, Burleske

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Mit dem dritten und letzten Premierenabend des Staatsopernballetts hat Aurel von Milloss nicht nur diesem große Aufgaben und an das Publikum künstlerische Ansprüche gestellt, sondern auch Lösungen angeboten, Kunsterlebnisse vermittelt und Unterhaltung auf höchstem Niveau geschenkt. Wie in den vorhergegangenen Abenden und in früher gezeigten Werken hat er sich wieder mit Künstlern verbunden, deren Ansichten und Tendenzen, deren Sensibilität vor allem, mit seiner Kunstauffassung korrespondieren.

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Mit dem dritten und letzten Premierenabend des Staatsopernballetts hat Aurel von Milloss nicht nur diesem große Aufgaben und an das Publikum künstlerische Ansprüche gestellt, sondern auch Lösungen angeboten, Kunsterlebnisse vermittelt und Unterhaltung auf höchstem Niveau geschenkt. Wie in den vorhergegangenen Abenden und in früher gezeigten Werken hat er sich wieder mit Künstlern verbunden, deren Ansichten und Tendenzen, deren Sensibilität vor allem, mit seiner Kunstauffassung korrespondieren.

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Das Divertimento in D-Dur stammt aus Mozarts früher, glücklichster Zeit in Salzburg und erhielt daher den Titel „Tänze im Mirabellgarten“. Es ist ein konzertantes klassisches Ballett, in dem die reinen Bewegungsformen, von der anmutigen Musik und der Schönheit der Gartenarchitektur inspiriert, durchaus dominieren. Die sechs kurzen Sätze, mit einer Gesamtdauer von einer knappen halben Stunde, sind für drei Solopaare, acht Tänzerinnen und acht Paare choreographiert. Susanne Kirnbauer und Michael Birkmeyer sind die brillanten Solisten des 1. und 4. Satzes, der 2. wird von Gisela Cech und Karl Musil, der 5. von Inge Kozna und Paul Vondrak angeführt. Wolfgang Hutter schuf ein an Pflanzenornamente erinnerndes Bühnenbild in den Farben Blau-Violett-Grün und Braun. Man hätte es sich vielleicht weniger massiv, eher etwas duftiger gewünscht. Dazu kontrastierten schöne, in lebhaftesten Farben gehaltene, vor allem aber zweckdienliche, das heißt tanzgerechte und kleidsame Kostüme eines im Programm nicht genannten Zeichners. Das Corps tanzte präzise und con animo, das Orchester unter Walter Weller spielte flott, ließ freilich auch einige falsche Blechbläsertöne hören.

Nichts zu blasen gab es in dem folgenden — u raufgeführten — Ballett mit dem Titel „Per aspera“. Dieses dreiteilige Werk entstand nach Musik von György Ligeti: „Rami-flcation“ für zwölf Streicher aus dem Jahr 1969, einem frühen elektronischen Stück mit dem Titel „Artikulation“ und dem sehr bedeutenden, völlig untraditionellen Orgelwerk „Volumina“ von 1960/61 in der Umarbeitung von 196ß. — Alle drei Stücke wurden von Tonband wiedergegeben und von den Ausführenden mit bemerkenswerter Musikalität interpretiert. Ligeti hat sein letztes Werk als „Architektur, die nur aus Gerüstzeug besteht“, bezeichnet. Seiner neuartigen Kompositionstechnik mit ihren Klangflächen und Clusters mußte sich auch die Choreographie anpassen. Was sich an „Handlung“ abspielt, ist schwer nachzuerzählen. Es sind vielmehr Situationen, Grenzsituationen des Menschen zwischen Sein und Vergehen, zwischen Diesseits und Tod. Verzicht, Verlust, Einsamkeit und Abschied mögen als Code-Worte genannt werden. Und dennoch gibt es eine deutlich spürbare „dramatische“ Dreiteilung: Akte einer inneren Tragödie. Ihre Träger waren der überaus eindrucksvolle Paolo Bortoluzzi, bis vor kurzem Mitglied der Bejart-Truppe, jetzt nur noch auf Gastspielreisen tätig, ein faszinierender Tänzer mit ausgeprägter Persönlichkeit, und die anmutige Lilly Scheuermann als „weiße Gestalt“. Das „Ambiente“' schuf nicht nur das Corps — Licht- und Schattenfiguren verkörpernd —, sondern auch Pantelis Dessyllas mit suggestiven Projektionen und an die italienische Frührenaissance erinnernden Kostümen, vornehmlich in Grüntönen. Im Ganzen: ein Werk von besonderer Eigenart, anders als alles, was wir bisher von Milloss kennen, das sich bei wiederholter Begegnung wahrscheinlich als Meisterwerk bewähren wird.

Mit leuchtenden, lebensfrohen Farben hat Emanuele Luzzati Stra-winskys „Petruschka“ ausgestattet. Milloss hat sich seit 1933 mit diesem Chef d'oeuvre beschäftigt und in einer langen Reihe von Neuchoreo-giraphien und ständigen Verbesserungen die zuweilen statischen Gestalten durch Individualisierung belebt, ohne ihren marionettenhaften Bewegungsstil aufzugeben. Luzzati behält, natürlich, das russische Kolorit bei, entfernt aber das lokale (Platz vor der Admiralität). Unseren besten Tänzern waren die Hauptpartien anvertraut: Franz Wilhelm der Petruschka, Christi Zimmerl die Ballerina, Ludwig Musil der Mohr und Fred Meister der Schaubudenbesitzer. Noch viele wären in Nebenrollen zu nennen, wir werden auch auf Milloss' Erlebnisse mit „Petruschka“ noch zurückkommen und empfehlen vorläufig den Besuch einer der nächsten Aufführungen am 22. oder 29. März.

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