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Die „ Ballets: USA” und ihr Choreograph

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An vier Abenden gastierte bei den Salzburger Festspielen Amerikas jüngste Ballett-Truppe, die erst im Vorjahr gegründeten, nur aus sechzehn jungen Tänzern bestehenden „Ballets: USA”, die in Salzburg um vier weitere Mitglieder vergrößert waren. Zum erstenmal sah man dieses Ensemble beim „Festival zweier Welten” in Spoleto, und der Erfolg war gleich so groß, daß man es zum „Maggio Musicale” nach Florenz, zu den Sommerfestspielen nach Triest und, als Vertreter amerikanischer Tanzkunst, zur Weltausstellung nach Brüssel einlud bzw. entsandte. — Nach Amerika zurückgekehrt, führten die „Ballets: USA” auch dort ihr in Europa gezeigtes Repertoire vor — und überall gab es ausverkaufte Häuser. Jubel beim Publikum und vorbehaltlose Zustimmung der Kritiker.

Was ist es, das diese junge und aus jüngsten Tänzern bestehende Truppe so überaus erfolgreich macht? Zunächst natürlich die Qualität und Schönheit ihrer einzelnen Mitglieder, die nicht nur tänzerisch, sondern auch gymnastisch und akrobatisch bis zur Perfektion ausgebildet sind. Aber bei allem Können und aller Diszipliniertheit macht den jungen Leuten das Tanzen offensichtlich eine solche Freude, daß hiervon das Publikum gleichsam angesteckt und mitgerissen wird. Mitgerissen nicht in einen Rausch des Genießens, sondern in ein fast körperliches Vergnügen an der Bewegung, dem Rhythmus und der Heiterkeit, die von diesen jungen Leuten ausstrahlt.

Diese Truppe scheint nämlich immer bet guter Laune, und das meiste, was sie vorführt, strahlt Witz und Heiterkeit aus. Das Kernstück ihres Programms heißt „N. Y. Export, Opus Jazz”, auf eine elektrisierende Musik von Robert Prince, und zeigt den Jazz einmal von der anderen Seite, nämlich nicht von der schwülen bis heißen, sondern von der humoristischen, geistvollen, gemeinschaftbildenden. Jazz als Gruppentanz, als Ensemblebelustigung: das war uns neu …

Dieses Ensemble darf es auch wagen, 15 Minuten lang ohne Musikbegleitung zu tanzen, auch ohne jede Schlagwerkstütze oder sonstige akustische Hilfsmittel, „ALfvcs.” heißt dieses Werk. das von der ersten bis zur letzten -Sekunde und Bewegung fesselt und die strenge Disziplin (die ja bekanntlich Voraussetzung künstlerischer „Leichtigkeit” ist) auf überzeugende Weise demonstriert. Mit diesem Stück will man das Publikum von jenen Ideenassoziationen befreien, denen in der Chopin-Parodie „Das Konzert” ergötzlich freier Lauf gelassen wird. „Schmetterlinge”, „Minutenwalzer”, „Regentropfen , vor allem aber das Konzert selbst und zum Schluß eine dilettantische (klassische) Ballett-Truppe werden auf eine Art persifliert, daß man das seltene Erlebnis des Tränenlachens hat. — Dazwischen ein strenges, ernstes Zweipersonenstück nach Debussys berühmtem ..Prelude d l’apres-midi d’un faune”, das wir bereits beim letzten Balanchine-Gastspiel in Wien kennengelernt haben.

Inzwischen hat sich Jerome Robbins. den wir damals schon als Choreographen bewundert haben, selbständig gemacht. (Einige Jahre vorher sah man bei einem amerikanischen Gastspiel in der Volksoper sein Ballett „Fancy Free” auf Musik von Bernstein, und war angetan von der Leichtigkeit und Heiterkeit seines Stils.) Er ist es nämlich, Jerome Robbins, der Qualität und Charakter dieser Truppe bestimmt. Robbins, 41 Jahre alt. tanzte unter berühmten Choreographen, wie Fokine, Massine. Tudor und Balanchine. Bald stand er als Solotänzer an der Spitze verschiedener Truppen und hatte seinen größten Erfolg als Petruschka in dem bekannten Ballett Strawinskys. Aber Robbins wollte selbst gestalten und seine vielfältige Begabung ins Spiel bringen. (Als junger Mensch wußte er lange Zeit nickt, ob er Musiker, Maler, Schauspieler oder Tänzer werden wollte.. ;). Sein sicherer künstlerischer Geschmack zeigt sich u. a. auch darin, daß er zwei der besten amerikanischen Künstler, Saul Steinberg und Ben Sknn. als Mitarbeiter für die — sehr sparsamen

Dekorationen herangezogen hat.

Robbins war der Meinung, daß das amerikanische Ballett zu sehr unter dem Einfluß der französisch-russischen Richtung (klassisches Ballet) steht. Er wollte etwas Neues, tvpisck Amerikanisches schaffen. Und das ist ihm auch gelungen Ob dies der einzige und wirkliche Grund seiner Trennung von dem großen Balanchine ist, wissen wir nicht Vielleicht wird er eines Tages auf Umwegen zu ihm zurückkehren.

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