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Die Zukunft des Staatsopernballetts

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Gegen Ende der vergangenen Spielzeit und knapp vor Beginn der Wiener Festwochen 1958, zu denen das Staatsopernballett seinen Beitrag mit insgesamt sechs zeitgenössischen Werken geliefert hat, ist die Ballettmeisterin unserer Oper, Erika H a n k a, im 54. Lebensjahr gestorben. Sie war bei Boden-wieser ausgebildet worden, hatte mit Kurt Joos gearbeitet und mit ihm die Welt bereist, war als Ballettmeisterin in Hamburg tätig und kam 1941 in der gleichen Eigenschaft nach Wien. In diesen siebzehn Jahren war Erika Hanka, neben ihrer Routinetätigkeit für das Opernballett im engeren Sinn, die Betreuerin des modernen Repertoires. Sie hat zahlreiche neue Ballette nicht nur Choreographien, sondern in enger Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten auch inspiriert. Durch ihr Wirken und ihr Eintreten für das Neue hat das Repertoire der Oper eine wesentliche Ergänzung und Färbung erfahren. Wer die Spielpläne der großen europäischen Opernhäuser studiert, weiß, daß dem Ballett heute fast überall diese Funktion zufällt. Erika Hanka hat den Anschluß an die moderne Linie gesucht und gefunden. Diese Entwicklung darf nicht abbrechen oder versanden.

Nicht nur das „Ballet blanc“, sondern auch das „Ballet d'aetion“ arbeitet heute mit den Elementen des klassischen Tanzes. Hierfür — und für Produktionen älterer Meisterwerke des Ballettrepertoires — besitzt die Wiener Staatsoper den von Sadler's Wells kommenden Ballettmeister und Choreographen Gordon Hamilton, und man wird ihm die Ausbildung im klassischen Tanz, wie er sie bisher geübt hat, auch weiterhin belassen dürfen.

Aber das ist nur der eine Teil der einem modernen Opernballett gestellten Aufgabe. Es gilt, für Erika Hanka eine vollwertige Nachfolge zu finden. Im Interesse nicht nur des Balletts, sondern auch der

Staatsoper ist sehr zu wünschen, daß man hierfür die richtige Kraft gewinnt. Vor halben und kompromißlerischen Lösungen muß heute schon gewarnt werden. Dieser Posten fordert eine Künstlerpersönlichkeit von Format. Etwa vom Format der Yvonne G e o r g i vom Landestheater in Hannover, die vor kurzem im Wettbewerb zahlreicher internationaler Ensembles mit sechs modernen Werken einen aufsehenerregenden Erfolg hatte. Oder vom Schlage eines Roland Petit, der mit seiner Pariser Truppe in der ganzen Welt Ansehen genießt und auch in Wien erfolgreich gastiert hat.

Einen Künstler bzw. eine Künstlerin dieser Art gilt es für die Wiener Staatsoper zu gewinnen. Das kann vielleicht nicht sofort, sollte aber bald geschehen. — Eine Reihe mittelmäßiger Ballettmeister gastieren zu lassen, um unter ihnen den passabelsten auszuwählen, erscheint uns wenig empfehlenswert (obwohl es sich vielleicht als notwendig erweisen wird, die Zwischenzeit durch Gastchoreographen zu überbrücken). Besser wäre es wohl, so bald wie nur möglich eine hervorragende künstlerische Persönlichkeit zunächst etwa durch einen Zweijahresvertrag an die Wiener Staatsoper zu binden, um dann, nach Ablauf dieser Frist, zu entscheiden, ob eine dauernde Verbindung mit dem Institut wünschenswert ist. Während des Interregnums wäre alle Sorgfalt darauf zu verwenden, daß das Staatsopernballett — um es ein wenig grob, aber deutlich zu sagen — nicht „verschlampt“. Damit der neue Herr nicht von vorne anfangen muß, sondern einen wohlfunktionierenden Apparat vorfindet, der ihm Lust zu anspruchsvoller Arbeit gibt.

Jede kühne, neue Lösung ist ein Experiment. Zu diesem wünschen wir der Bundestheaterverwaltung und der Operndirektion Mut — und Glück.

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