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Apotheose des klassischen Tanzpaars

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Das Wiener Staatsopernballett hat einen neuen Ballettabend, der sich sehen, lassen kann, ja Maßstäbe setzt. Hans van Manen hat mit den Solisten zwei seiner Werke einstudiert, „Twilight“ und „Adagio Hammerklavier“, und George Balanchines „Liebeslieder Walzer“, nach der Aufführung in der

Staatsoper (FURCHE 22) nun im Theater an der Wien in einer zweiten Besetzung präsentiert, ist jätet merkbar geistiges Eigentum der Truppe geworden.

Und das ist gut so. Denn von beiden Choreographen müßte diese Truppe die wesentlichsten Werke zürn fixen Bestand ihres Repertoires zählen. Die rein klassische Schulung des Staatsopernballetts und die Art, wie Balanchine und van Manen gerade für die Neubewertung des klassischen Tanzpaars, aber auch für eine stilistische Weiterentwicklung des klassischen Ausdrucks in Richtung Gegenwart gesorgt haben, kommen da erstaunlich zur Deckung. Choreographien, die für die Wiener maßgeschneidert scheinen: Das war mein Eindruck nach dieser zu Recht bejubelten Premiere.

Vor allem „Twilight“, zu John Cages „Perilous Night“ für präpariertes Klavier (am Flügel Käte Wittlich), ist geradezu Maßarbeit für das Paar Lily Scheuermann und Michael Birkmey- er.Gewiß, es verlangt beiden enorm viel ab. Das ist Tanz mit jeder Faser des Körpers. Eine einzige große Steigerungskurve. Aber diese Arbeit ist richtig investiert.

Das Thema, Kampf der Geschlechter, läßt keinen Moment Langeweile aufkommen. Ich habe Zwischenbereiche, etwa zwischen Überlegenheit und Sentiment, zwischen Berechnung und Leidenschaft, auch zwischen Klassik und raffinierter Verfremdung im Tanz selten so präzise choreographiert gesehen. Und das Ballett hat witzige Momente. Man merkt Spontanes, den Esprit. Etwa wenn eine klassische Bewegung „umkippt“ … weil sich die Tänzerin mit einem Stöckelschuh am Bein kratzt. Das ist Tanz nach strengem Kalkül, aber Tanz um seiner selbst willen. Ohne alle Spekulation, ohne die Hybris der Philosophiererei.

Diese Orientierung des Tanzes an sich selbst trifft übrigens auch auf Ma- nens zweites Werk zu: „Adagio Hammerklavier“ – Christoph Eschenbach spielt es (auf Tonband) mit einer Langsamkeit und so zerfallend in der Gestik, daß es zum beklemmenden Stück wird. Gefühle auf dem Nullpunkt. Spannung entsteht nur aus den großen Bewegungslinien, die aber ebenso sparsam sind wie das eindrucksvolle

Bühnenbild Jean Paul Vrooms (ein sich im Wind wellender Vorhang) oder der Ausdruck der Tänzer. Gerade die Tanzpaare Gisela Cech-Michael Birkmeyer, Lisi Maar – Karl Musil und Lilly Scheuermann – Heinz Heidenreich wirken ungemein harmonisch. Ein geometrisches Spiel im Geist der

Klassik. Ein Ballett, das Einsamkeit zu zweit, dritt, viert, fünft, sechst greifbar macht. Man kann auf das nächste Werk van Manens, das noch intensiver in diese Richtung weisen wird, gespannt sein: „Lieder ohne Worte“ erarbeitet er 1978 mit der Wiener Kompanie.

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