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Der Ehrgeiz, der Erste zu bleiben!
Man glaubt es kaum. Aber an Rudolf Nurejew, der - trotz junger Konkurrenten wie Michail Barischnikow, - noch immer Star der internationalen Ballettszene ist, scheinen die letzten Jahre fast spurlos vorübergegangen zu sein. Er ist jetzt 39. Eigentlich kein Alter. Für einen Tänzer, der Nummer eins bleiben will, aber dennoch ein kritisches. Daß er diese Stellung mit ungeheurer Zähigkeit, unvorstellbarem Ehrgeiz und Arbeitsbesessenheit verteidigt, bewies die Eröffnungsgala seines achtwöchigen Wien-Gastspiels an der Staatsoper. In manchen Momenten geradezu ein Abend atemberaubender Tanzkunst.
Egal, was sich Nurejew vornimmt - ob er mit Paolo Bortoluzzi, der zum drahtig temperamentvoll wirbelnden Russen wirklich ein geschmeidig-lyrischer Widerpart ist, ein Werk wie Maurice Bejarts „Lieder eines fahrenden Gesellen“ (zu Gustav Mahlers Musik) tanzt, ob er mit der fabelhaft sicheren Alexandra Radius in einer Bravournummer wie dem Pas de deux aus dem „Korsar“ seine elegantesten Sprünge und Drehungen abschnurren läßt, oder in Strawinskis „Apollo“ äußerste Disziplin der klaren Bewegungslinien edler Gemessenheit vorexerziert -, immer fasziniert die Persönlichkeit, die Ausstrahlung; setzt diese Idealkombination von dramatischem Temperament und (noch immer) totaler Körperbeherrschung in Erstaunen. Und wenn er in Werken wie „Adagio Hammerklavier“ mit den Besten des Staatsopernensembles tanzt, reißt er auch sie zu Höchstleistungen mit. Gerade im „modernen Fach“ zeigt er, welche Disziplin er da, abseits aller klassischen Bravourleistungen, als Trumpf ausspielen kann. Nurejew über sein Repertoire, das er noch immer ständig erweitert: „Man muß klassische und moderne Werke beherrschen, sonst ist Tanz eine halbe Sache!“
Nurejew, der zuletzt auch im Film als Rodolfo Valentino Furore machte, ist mit sich nicht so leicht zufrieden;
mit anderen prominenten Tänzern sich zu präsentieren, empfindet er als eine wichtige Herausforderung. Verunsichert fühlt er sich jedenfalls durch die Bombenerfolge eines Michail Barischnikow keinesfalls: „Ich war das Beispiel für eine ganze Generation von Tänzern. In gewisser Weise ist auch er mein Produkt.“
Und so ist auch sein Verhältnis zu Bortoluzzi, mit dem er besonders gern zusammenarbeitet (wenn er auch die tänzerisch gestenreichen, etwas „red- selien“ „Lieder“ seit der Brüsseler Uraufführung 1Ö71 nicht mehr mit ihm gatanzt hat), besonders gut. Was man gerade in dieser Aufführüng merkt: Mahlers elegische Stimmungsbilder, Vorahnungen des Todes, setzen sich in den großen, harmonischen Bewegungsformen des Bėjart-Balletts gleichsam fort, verzittem … Gottfried Homik sang allerdings die Soli recht blaß, Stefan Soltesz führte das Orchester wenig temperamentvoll. Und die psychischen Spannungen werden gleichsam zerlegt, in den leidenschaftlich aufbrausenden Part Nurejews und den groß ausschwingenden Bor- toluzzis. Daß auch Bortoluzzi natürlich in all seiner Eigenart noch immer einer der faszinierendsten Tänzer ist, führte er in „Nomos Alpha“ erneut vor. Höchste Konzentration. Tanz wie ein geometrisches Spiel. Intellektuell, kalt, kalkuliert. Aber da stimmt alles perfekt zusammen.
Auch das Staatsopemballett profitierte von diesem Nurejew-Gastspiel; nicht nur, weil Nurejew mit der Kompanie Minkus’ „Don Quixote“ erarbeitet und „Schwane’nsee“ auffrischt, sondern weil er auch selbst mittanzt. Das bedeutet eine Herausforderung für die jungen Tänzer, an der ihre Leistungen wachsen: Gisela Cech, Lisi Maar, Karl Musil, Lilly Scheuermann, Judith Gerber und Heinz Heidenreich bewiesen es diesmal in „Adagio Hammerklavier“ und „Apollo“. Andere Opernhäuser können Wien um dieses Ereignis beneiden. Das Publikum tobte.
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