Als Rudolf Nurejew, nachdem er zu Beginn dieser Spielzeit das Ballett „Schwanensee“ einstudiert hatte, in dem er selbst den Prinzen Siegfried tanzte, Wien verlassen und seine Inszenierung sowie die Hauptpartien anderen übergeben mußte, sagte er: das sei ihm wie eine Kindesweglegung vorgekommen. Nun:das weggelegte Kind hat sich kräftig entwickelt und ist bei jedem Auftreten lebhaft bejubelt worden. Jetzt kam Nurejew mit einer neuen Partnerin: Svetlana Beriosowa. Die in Litauen geborene Russin ist die Primaballerina des London Royal Ballett: eine vollkommene Tänzerin in den besten Jahren, schlank, brillant, intelligent und von ungewöhnlicher Anmut. Von besonderer Schönheit und Eleganz ist ihre Armtechnik. Mit der Odette — Odile von Margot Fonteyn verglichen, wirkt die Beriosowa etwas kühler. — Nurejew, gespannt und faszinierend wie immer, schien an diesem Abend etwas überanstrengt. Aber wie er sein körperliches Übelbefinden meisterte, war großartig und imponierend. H. A. F.
Die Umbesetzung in „The Rake's Progress“ von Strawinsky in der Staatsoper betraf vor allem Lwcia Popp in der Rolle der Ann und Hüde Rössel-Majdan als Türkenbab. Erstere blieb in den ersten Bildern trotz schönem Singen ein wenig blaß, fand aber, besonders in der letzten Szene, ergreifende Töne tiefer Menschlichkeit und fast mütterlicher Frauenliebe, an denen der Komponist seine Freude hätte. Als Türkenbab kann Hilde Rössel-Majdan ihr vehementes Temperament entfalten, was sie natürlich tut. Auch ihre warme Stimme hat die Untertöne, die nicht in der Partitur stehen, aber doch gemeint sind, und in den Augenblicken, wo sie dominieren, hat sie alle Zuhörer auf ihrer Seite, zumal Kostüm und Erscheinung nicht abschreckend, sondern (für diese Rolle) viel zu hübsch waren. Waldemar Kmentt und Eberhard Wächter als Tom Rakewell und Nick Shadow beherrschten allerdings als die tragenden Figuren (und als unvergleichliches Duo) die Bühne.
