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Neue Fasson

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Nach fünf Jahren Abwesenheit kam Rudolf Nurejew wieder an die Staatsoper, um zweimal in seiner „Schwanensee“'-Produktion, einem Prunkstück im Repertoire, den Prinzen Siegfried zu tanzen. Trotz aller Probendebakel, trotz Krach und einem tobenden Star präsentierte er schließlich eine reife, kultivierte Aufführung. Vor allem: da tanzte ein anderer Nurejew als man ihn kannte, ein Künstler, dem man deutlich anmerkt, daß er sich weiterentwik-kelt hat, daß seine Auseinandersetzung mit dem modernen Tanz gewisse Spuren hinterläßt. Mehr denn je tanzt er sozusagen rationell, den Kräfteverbrauch streng kalkulierend, genau Effekte und ihren Wert abwägend. Was er früher an Rasanz, Bravour, Tempo „verschleuderte“, wie er sich in Sprüngen und schwierigsten Figuren verauszugaben bereit war, das wirkt jetzt gebändigter: Ein idealer Partner ist aus ihm geworden, der sogar einen imponierenden Danseur noble abgibt, weil er bereit ist, sich notwendigen Ges'taltungs-prinzipien einer Rolle bedingungslos unterzuordnen und seine Partnerinnen so bravourös wie möglich zu präsentieren.

Nun stellte er — Ersatz für die unersetzliche Margot Fonteyn! — die schöne 23jährige Karen Kain vom Kanadischen Na'tionalballett, Toronto, als Odette-Odile vor: ein schwereloses, fragiles Geschöpf, das sich Mädchenhaftigkeit bewahrt hat, aber als Schwarzer Schwan dennoch das tödliche Feuer dieser Partie ausstrahlt. Stilistisch wie technisch ist sie gleich sicher: Nurejew hat sie unter seine Fittiche genommen, ist drauf und dran, aus ihr eine Persönlichkeit zu machen, die das Niveau einer Fonteyn erreichen könnte, ohne eine Fonteyn kopieren zu müssen.

Das Staatsopernballett, spürbar von seinem Star in Stimmung gebracht, kam denn auch nach einiger Anlaufzeit in Schwung: Der zweite und dritte Akt hatten eine solide Fasson, wenngleich man deutlich spürte, daß die Direktion eigentlich für dieses Ballett viel mehr tun müßte: Tänzer wie Nurejew häufiger ans Haus zu holen etwa... Sowohl als Betreuer bei der Auffrischung seiner eigenen Produktionen — „Schwanensee“ und „Don Quijote“, seit Milloss neuerlichem Start als Balle'ttchef halbwegs in der Versenkung verschwunden, müßten unbedingt wieder aufgenommen werden — als auch als bravourösen Star, der die Stimmung im Haus anheizt.

Bei uns ist Dario Fo so gut wie unbekannt, Sehr im Gegensatz zu Italien, wo man ihn durch die Aufführungen seiner Truppe „La Commune Milano“, die er mit seiner Frau Franca Rame leitet, allgemein kennt. Er schreibt Stücke, entwirft die Bühnenbilder, die Kostüme, die Plakate, er führt Regie, ist sein eigener Hauptdarsteller und Sänger. Es gibt von ihm Dutzende von Schallplatten. Seit 1958 führt er ausschließlich seine eigenen Bühnenwerke auf.

Vor acht Jahren war von ihm in Rom das Stück „La colpa e sempre del diavolo“ („Schuld hat immer der Teufel“) zu sehen. In dauernder Turbulenz mischten sich surreale Effekte mit denen der Commedia dell'Arte, exzessiv Mimisches war eingesetzt, aggressiv Politisches gab den aktuellen Einschlag. Szenenapplaus, Lachsalven bekundeten den Erfolg. In einem anderen Stück dramatisierte er in Zirkusart die Ereignisse des Kennedy-Mordes in Dallas, in wieder einem anderen behandelte er die Bombenattentate in Mailand und Rom, den Fall Valpreda und den Tod des Verlegers Feltri-nelli.

Für ihn ist das Theater immer noch ein Instrument des Klassenkampfes, es geht ihm darum, ein revolutionäres Verhalten zu pro-

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