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Die Bedeutung des Balletts

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Eines der merkwürdigsten und erfreulichsten Phänomene auf der Kulturszene der Nachkriegszeit war die Erneuerung, in vielen Städten eine Wiederentdeckung des Balletts. Das bezog sich zunächst vor allem auf die größeren Opernhäuser der Bundesrepublik, wo, etwa in München, Hamburg, Stuttgart und Wuppertal, eine Ballett-Renaissance stattgefunden hat, die allseits überraschte und deren Auswirkungen noch bis in die Gegenwart spürbar sind

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Eines der merkwürdigsten und erfreulichsten Phänomene auf der Kulturszene der Nachkriegszeit war die Erneuerung, in vielen Städten eine Wiederentdeckung des Balletts. Das bezog sich zunächst vor allem auf die größeren Opernhäuser der Bundesrepublik, wo, etwa in München, Hamburg, Stuttgart und Wuppertal, eine Ballett-Renaissance stattgefunden hat, die allseits überraschte und deren Auswirkungen noch bis in die Gegenwart spürbar sind

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Erinnern wir uns daran, was für einen Wirbel es 1947 um das Ballett „Abraxas“ von Werner Egk gegeben hat. Es war zwar zunächst der „Skandal“. Aber dieser hat sehr zur Popularisierung der ganzen Gattung beigetragen, das heißt: das Ballett kam wieder ins Gespräch. Denn wenn wir vom „Ausdruckstanz“, dem „German Dance“ unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg absahen, so hat die „Entwicklung“ den deutschen Sprachraum mehrmals übergangen. In Italien geboren, gelangte der klassische Tanz nach Frankreich und von dort nach Rußland. Von Rußland kamen Diaghilews „Ballets Russes“ zunächst nach Paris und strahlten von dort nach England und in die USA aus. Wieder einmal unter „Überspringung“ der deutschen Theaterszene. Hier gab es, wie bereits erwähnt, erst nach 1945 eine echte Blüte.

Darüber ist viel meditiert und diskutiert worden. War es damals wirklich vielleicht eine gewisse Skepsis dem Wort gegenüber, an das ja auch die Oper gebunden ist? Oder war es das immer stärker zutage tretende Primat des Optischen? Wollten die Menschen der ersten Nachkriegszeit etwas absolut Schönes, Geordnetes und zugleich Spielerisches sehen, voll Ausdruck, aber ohne Sprache? Dies gilt besonders für das handlungslose „Ballet blanc“, das ja besonders von Strawinsky gerühmt wurde, der selbst ein rundes Dutzend Tanzpartituren geschrieben hat.

Der Oper gegenüber hatte das Ballett noch einen ganz großen Vorteil: Die neue Musik war, speziell was die Wortbehandlung betrifft, seit Schönberg sehr eigenwillige Wege gegangen, auf denen nur ein sehr kleiner Teil des Publikums folgen konnte. Die Singstimmen in den Opern wurden nicht nur immer „schwerer“, sondern auch unkantabler und versandeten oft in einer Art Sprechgesang. Von den Schwierigkeiten, ein gutes Libretto zu finden — was für viele Komponisten zumindest während der letzten zwei Jahrhunderte arge Kalamitäten bedeutete, ganz abgesehen. Und eine Ballett-Partitur ist nicht nur für den Komponisten leichter zu schreiben, sondern läßt auch den Ausführenden, sowohl dem Choreographen wie dem Tänzer, mehr Freiheit.

Aber zu einer wirklichen Blüte des Balletts beziehungsweise einer bestimmten Truppe kann es nur kommen, wenn diese regelmäßig und in genügendem Ausmaß beschäftigt wird. Hier, bei den Tänzern, die von allen Künstlern (wenn wir vielleicht von den Akrobaten absehen) am härtesten trainieren und am diszipliniertesten sein müssen, gilt in ganz besonderem Maße das Wort: „Wer rastet, rostet.“ Und hier, an diesem Punkt sehen wir die Hauptschwierigkeiten, mit denen das Wiener Staatsopern-Ballett zu kämpfen hat. Es umfaßt nämlich nicht weniger als 84 Mitglieder (darunter 9 Solotänzer), das der Volksoper rund 40. Zu sehen sind sie jedoch sehr, sehr selten. Was das Staatsopern-Balleit zu leisten vermag, haben wir gerade während der letzten Wochen erlebt. Was jedoch eine bessere, rationellere Ausnützung des Balletts, was seine aufmerksame und sachkundige Betreuung für den Gesamtbetrieb eines großen Hauses bedeuten kann, werden wir demnächst näher erläutern und belegen. ( ..'

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