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Das Royal Balle

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Im Herbst des vergangenen Jahres haben wir das im Rahmen der Britischen Woche in Wien gastierende Royal Ballet vorgestellt: 1931 trat Ninette de Valois zum erstenmal mit einer neugegründeten Truppe vor die Öffentlichkeit, die später „Sadler's Wells“ genannt und 1956 durch ein königliches Sonderdekret den Titel „Royal Ballet“ erhielt. Seit 1935 ist dort als Chefchoreograph Frederick Ashton tätig, der die berühmte Truppe auch als Direktor leitete. Wichtige Werke von Ravel, Strawinsky, Henze und verschiedenen englischen Autoren wurden hier erstaufgeführt oder neu choreographiert. Mit Nicolas Ser-gejew, der Makarowa und Dolin wurde auf den eigenen Stamm die Tradition des klassisch-russischen Balletts aufgepfropft, und neuen Strömungen gegen über zeigte man sich immer aufgeschlossen. So kann man sagen, daß das Royal Ballet, dessen Stammhaus die Covcnt Garden Oper ist, nicht nur geographisch, sondern auch choreographisch zwischen New York und Leningrad liegt.Gegenwärtig besteht das glanzvolle, trotz seiner Vielfarbigkeit homogene Ensemble aus zwei Truppen von 75 und 45 Tänzern. Mit Beginn der nächsten Spielzeit wird das Tournee-Ensemble, das wir am vergangenen Samstag und Sonntag gesehen haben, mit dem „großen Corps“ von Covent Garden zusammengelegt, und Sir Frederick Ashton wird als Leiter der Truppe zurücktreten. Es war also eine Abschiedsvorstellung in doppeltem Sinne, der wir im Theater an der Wien beigewohnt haben...

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Im Herbst des vergangenen Jahres haben wir das im Rahmen der Britischen Woche in Wien gastierende Royal Ballet vorgestellt: 1931 trat Ninette de Valois zum erstenmal mit einer neugegründeten Truppe vor die Öffentlichkeit, die später „Sadler's Wells“ genannt und 1956 durch ein königliches Sonderdekret den Titel „Royal Ballet“ erhielt. Seit 1935 ist dort als Chefchoreograph Frederick Ashton tätig, der die berühmte Truppe auch als Direktor leitete. Wichtige Werke von Ravel, Strawinsky, Henze und verschiedenen englischen Autoren wurden hier erstaufgeführt oder neu choreographiert. Mit Nicolas Ser-gejew, der Makarowa und Dolin wurde auf den eigenen Stamm die Tradition des klassisch-russischen Balletts aufgepfropft, und neuen Strömungen gegen über zeigte man sich immer aufgeschlossen. So kann man sagen, daß das Royal Ballet, dessen Stammhaus die Covcnt Garden Oper ist, nicht nur geographisch, sondern auch choreographisch zwischen New York und Leningrad liegt.Gegenwärtig besteht das glanzvolle, trotz seiner Vielfarbigkeit homogene Ensemble aus zwei Truppen von 75 und 45 Tänzern. Mit Beginn der nächsten Spielzeit wird das Tournee-Ensemble, das wir am vergangenen Samstag und Sonntag gesehen haben, mit dem „großen Corps“ von Covent Garden zusammengelegt, und Sir Frederick Ashton wird als Leiter der Truppe zurücktreten. Es war also eine Abschiedsvorstellung in doppeltem Sinne, der wir im Theater an der Wien beigewohnt haben...

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„The Dream“ nach Mendelssohns Bühnenmusik zum Sommernachtstraum wurde 1964 in Covent Garden als Teil eines Shakespeare-Tripty-chons uraufgeführt. Der große Erfolg veranlaßte den Choreographen Sir Frederick Ashton 1967 zu einer Zweitproduktion für das Tourneeensemble. Die bekannte Handlung mit Oberon und Titania, den beiden Liebespaaren, mit Puck und dem Rüpelspiel der Handwerker wird tänzerisch nacherzählt, und auch der äußere Rahmen (obwohl die Rahmenhandlung am Hof von Athen entfällt) ist der gewohnte: eine romantisch-blaue Waldlandschaft von malerischem Reiz, die von den bekannten Fabelwesen bevölkert ist. Peter Farmer hat sie gestaltet und die Tänzer mit Geschmack und Phantasie kostümiert. Besonders hübsch war, wie fast alle jugendliche Tänzer (natürlich auf Anweisung ihres Meisters) die Ballettromantik dezent ironisiert haben. Im Ganzen: mehr Mendelssohn-Musik als Shakespeare, die die anmutige Lucette Aldqus und ihr junger Partner Nicholas Johnson tanzten. Als Helena und Hermia konnte man die Damen Karras und Barbieri bewundern.

Die geniale und reizende Musik, deren Vorspiel Mendelssohn mit 17 Jahren geschrieben und die er nach weiteren 17 Jahren beendete, wurde von den Wiener Symphonikern unter der Leitung von John Lanchbery, der sie nach den Erfordernissen der Choreographie auch „arrangierte“ (indem er ausließ und zusammenzog, aber keinen Nummern aus anderen Werken einfügte) sauber und für die Tänzer animierend gespielt.

Als Huldigung zum Beethoven-Jahr hat Frederick Ashton Beethovens aus 16 Nummern bestehendes „allegorisches Ballett“ auf ein verlorengegangenes Libretto Salvatore Viganos mit dem Titel „Die Geschöpfe des Prometheus“, das 1801 am k. u. k. Hoftheater nächst der Burg uraufgeführt wurde, neu bearbeitet und choreographiert. Die besten und angesehensten Choreographen, wie Serge Lifar, Ninette de Valois, Tatjana Gsovsky und Aurel von Milloss haben versucht, diesem Werk neues Leben einzuhauchen. Aber das ist, auf dem Weg über die Szene, sehr schwierig, denn das Sujet ist mythologisch-heroisch, die Musik dagegen eher leichtgewichtig.

— So entschloß sich Ashton zu einer Transposition der Handlung ins Frühempire, und, was den Stil betrifft, zu einer Art „Salonkomödie“. Die Grundmotive freilich bleiben erhalten: Prometheus präsentiert den Göttern zwei Figuren, Mann und Frau, die er aus Wasser und Erde geschaffen. Mit dem Flammenbrand der Sonne erweckt er sie zum Leben. Nacheinander werden sie durch Apollo, Eros, Thalia, Mars, Melpomene, Bacchus und Terpsi-chore belehrt — und erst jetzt sind es richtige Menschen ...

Das geschieht ein wenig persiflierend, nicht nur, was die griechischen Götter und Menschen betrifft, sondern auch auf Kosten der Terpsi-chore, die als eine Art Ballettgouvernante in einem rosa Boticelli-Ge-wand mit Silber in Erscheinung tritt. Der Kriegsgott ist als Napoleon kostümiert: in grüngoldenem Frack mit Dreispitz und rotem Umhang.

— Die Trikolore wird im Pulverdampf geschwenkt, und auch sonst gibt es humoristische Details genug. Nennen wir wenigstens den imposanten Prometheus Hendrik Davel, die damenhafte „Frau“ Doreen Wells sowie die Damen Thorogood, Ruanne und Last sowie die Herren Cooke (der Mann), Clarke, Benson, Grater, Morse — und das anmutige Corps de Ballet. Die originellen Bühnenbilder und die vielen Kostüme schuf Ottowerner Meyer.

Auf die Entheroisierung Beethovens soll man in der ersten Juniwoche, als das Ballett in Bonn uraufgeführt wurde, sauer reagiert haben. Wir waren für diesen ein wenig ironisch-komödiantischen Ausklang der Wiener Festwochen dankbar — nach soviel mit geballter Kraft produzierter Beethoven-Musik an anderem Ort. Auch der Dirigent und das Orchester haben diese Partitur mit dem Titel „Die Geschöpfe des Prometheus“ als das begriffen, was sie wirklich ist und was man Beethoven prima vista kaum zugetraut hätte: eine wirkliche Ballettmusik.

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