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Der Pagodenprinz -ein Prunkballett

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Wazlaw Orlikowsky, der neue Ballettmeister der Staatsoper, hat sich in Wien bereits mit dem abendfüllenden „Dornröschen“ auf Tschai-kowsky-Musik vorgestelt. Nun zeigt er als zweites großes Ballett Benjamin Brittens „Der Pagodenprinz“ nach einem Libretto des englischen, zuletzt in Stuttgart tätigen Choreographen John Cranko.

Zu der Musik für dieses in einem legendären „Kaiserreich der Mitte'“ spielenden Ballett wurde Benjamin Britten durch einen fünfjährigen Aufenthalt im Fernen Osten angeregt, wo er die stärksten Eindrücke von der Musik Burmas, Siams und Chinas empfing. Die umfangreiche Partitur ist in unglaublich kurzer Zeit im Herbst 1956 entstanden und erklang zum erstenmal vor zehn Jahren unter der Leitung des Komponisten in Covent Garden. (Bruchstücke daraus hörten wir inzwischen im österreichischen Rundfunk.)

Der Librettist hat sich eine märchenhaft-phantastische Handlung ausgedacht, in die vielerlei Motive aus der Weltliteratur des Märchens eingeflochten sind. In drei Akten spielt sich das Schicksal des alten, gütigen Kaisers und seiner beiden ungleichen Töchter ab: der stolzen .und strengen Belle-Epine und der sanften, schönen Beile-Rose. Um beide werben vier junge Könige. Belle-Epine krönt sich selbst zur Königin, und Beile-Rose sehnt sich in Gedanken nach einem Traumbild, dem Pagodenprinzen. Auf einem Zauberschleier durch die Lüfte, durch Wasser und Feuer getragen, befindet sie sich plötzlich in einem dichten Wald, wo sich ihr in der Gestalt eines großen grünen Salamanders der Pagodenprinz naht. Von ihm gefolgt, kehrt sie ins Reich der Mitte zurück, wo inzwischen der alte Kaiser von Belle-Epine in einen Käfig gesperrt worden ist. Diese befiehlt, den Salamander zu töten; Beile-Rose, in großer Angst, ihn zu verlieren, küßt — und erlöst ihn. Belle-Epine verliert darüber nicht nur den Verstand' sondern auch die Krone, die künftig Belle-Rose an der Seite ihres Pagodenprinzen tragen wird.

Orlikowsky, der Showman unter den Choreographen, hat dieses Ballett bereits zweimal inszeniert: in Basel und fürs Fernsehen. Für die Aufführung in der Wiener Staatsoper fand er in Günther Schneider-Siemssen den richtigen Partner, der wie kaum ein zweiter mit der modernen Bühnentechnik zu „zaubern“ versteht. Projektionen und Kulissen lösen einander ab, werden wirkungsvoll kombiniert und virtuos eingesetzt, wobei durch Verfremdungseffekte eine sehr artistische Stilisierung und durch die verwendeten Farben eine gewisse symbolische Überhöhung der Vorgänge erzielt wird.

Sophie Schröck, deren schöne Kostüme zu „Intermezzo“ wir noch in Erinnerung haben und die mit Orlikowsky wiederholt zusammengearbeitet hat, ist gegenwärtig in Köln tätig. Sie trifft den von Orlikowsky angestrebten fernöstlichen Prunks<til ausgezeichnet, ja, sie setzt dem ganzen eigentlich erst die Krone auf. Im ersten und im letzten Bild, das im Inneren des mit acht mächtigen drachenköpfigen Säulen ausgestatteten Kaiserpalastes spielt, kleidet sie die Hofgesellschaft in Weinrot. Die erste Freierdelegation erscheint in Schwarz, die zweite in Blau-Rot-Weiß, die nächste in Schwarz-Grün, die vierte in Gold-Rot. Besonders raffiniert ist das Bild des zweiten Aktes komponiert: Ein Pagodenwald, dessen Bäume als Äste lebendige Menschenarme und -hände vorstrecken und bewegen...

Gegenüber diesem szenischen Zauber und kostümierten Prunk wird das Tänzerische — das Brittens Musik keineswegs vernachlässigt — in den Hintergrund gedrängt. Übrigens sind — bezeichnenderweise — fast sämtliche Tanzgruppen und Solisten durch ihren mächtigen dekorativen Kopfputz nicht wenig behindert. Immerhin muß anerkannt werden, daß dem Choreographen Orlikowsky (der synthetischen Musik Brittens entsprechend, die Anleihen, vor allem bei Strawinsky, nicht scheut) die Verschmelzung fernöstlicher Figuren mit denen des klassischen Balletts zuweilen auf überzeugende Weise gelungen ist.

Am spärlichsten war, rein tänzerisch, der Pagodenprinz (Willy Dirtl) bedacht, am reichhaltigsten Susanne Kirnbauer als Belle-Rose, die in einem großen Pas-de-deux im zweiten Akt nicht nur Virtuosität, sondern auch Poesie ahnen ließ, während sie in ihrem Solo im dritten Akt unsicher wirkte. — Brillant, wie immer, Christi Zimmerl, diesmal in einer kleineren, aber wichtigen Rolle als „böse Prinzessin“ Belle-Epine. — Hübsche Charakterstudien boten Herbert Nitsch als König des Nordens, Peter Mallek, König des Ostens, Ludwig Musil, König des Westens, und Peter Kastelik, König des Südens. Als Grüner Salamander hatte sich Günther Falusy viel am Boden zu bewegen. Das hübscheste Paar aber waren Lilly Scheuermann und Michael Birkmeyer als Prinzessin und Prinz von Japan. Erika Zlocha und Dietlinde Kiemisch als Zwerg und Narr waren die gewandt agierenden Rahmenfiguren. Das Corps de ballet war, mit Ausnahme einiger weniger Nummern, fast nur als dekorative Statisterie eingesetzt.

Am Pult stand Ernst Märzendorfer, der die mehr als zweistündige, recht ungleiche, aber im Ganzen doch interessante Partitur zu entsprechender Wirkung brachte. Ihren wohlgemessenen Anteil an dem mehr spektakulären als künstlerisch bedeutenden Abend, der sicher viele Liebhaber finden wird, hatten die Techniker und Beleuchter (Hans Felkel und Albin Rotter).

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