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Träumerei mit Blasmusik

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Es häufen sich die Versuche, Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ nicht mehr als romantisches Spiel duftiger, hochgespannter Grazie in „mondbeglänzter Zaubernacht“, sondern als ein Pandämo-nium, als traumhaften Spuk zu begreifen, worin dänionische Elemen-tarkräfte erst aufgerufen und dann gezähmt werden. Dem entspricht, daß die schöne und elegante Musik, die der 18jährdge Mendelssohn zum „Sommernachtstraum“ geschrieben hat, durch die Musik von Carl Orff ersetzt wird, die mehr das Geisterhafte, Koböldische, Untergründige heraufbeschwört. Nach jahrzehntelangen Bemühungen liegt sie nunmehr in der sechsten Fassung vor; in der Neuinszenierung des Volkstheaters unter der Regie von Leon Epp wurde sie jetzt in Österreich erstaufgeführt. Die phantasievolle und virtuose Musik hat dramaturgische Funktion und dominiert in jeder Hinsicht. (Das Programmheft verzeichnet denn Orff auch als „Einrichter“). Wenn die große Mondscheibe langsam über die Bühne wandelt, tritt ein Trompeter auf und bläst sein Solo dazu. Wenn Zettel, der Weber, sein Vogellied singt und tanzt oder verzaubert Liebesworte mit Titania wechselt, kommt der Kontrabaßspieler und kommentiert parodistlsch den Eselsspuk mit Brumm- und Fiageolettönen. Und in den Rüpelszenen wird gar ein ganzes Orchester auf die Bühne postiert, das die Auftritte der fröhlichen Kumpanei mit schmetternder Blasmusik begleitet.

Von seltsamer Wirkung sind auch Bühnenbild und Kostüme (Hubert Aratym): wuchtige, nach oben wuchernde Riesengebilde als Wald, durch den Klage und Gelächter hallt, Wald als Gleichnis der Abhängigkeit und Gefährdung des Menschen durch die kosmischen Kräfte. Die mit meterlangen Schleppen ausgestatteten Gewänder Obe-rons und Titandas und der höfischen Oberwelt sind von manieristischer Üppigkeit und Phantastik.

Alles an dieser sicherlich ungewöhnlichen Inszenierung ist Ton, Farbe, Bewegung. Zu effektvollen Höhepunkten werden die wirbelnden Verwirrungen der Liebenden im Wald und die Handwerkerszenen mit ihren drolligen Aufmärschen, dem hausbackenen Spiel von „Pyramus und Thisbe“. Immer bleibt der Spuk lustig. Nie aber wird die Furchtbarkeit der Verwandlungen spürbar, die Trauer der Verlassenen, die Inbrunst der Wünsche. Sie fehlen in der Inszenierung, scheinen gar nicht gewallt, gar nicht erfaßt.

Soldan (Theseus), Helmi Mareich (Hippolyta), Kunrad (Oberon), Traute Wassler (Titania) machen gute Figur. Horin.gr, Rolant, Paola Loew, Christine Buchegger sind die ungestümen jungen Liebenden. Im Rüpelsextett gefallen Petters, Will-ner, Trimburg, doch hat sein Zettel zu wenig von der unbewußten, rührenden Lächerlichkeit. Bleibt noch Hans Weicker als Puck (hier Droll genannt), der den Schabernack treibenden Waldschratt mehr als melancholisch räsonierenden Mephisto spielte, und damit um einige Grade zuwenig leichtfüßig. Das Publikum war begeistert und feierte die Schauspieler und Carl Orff.

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Seiner Posse „Haus der Temperamente“ hat Nestroy nur wenig von seinem Wortwitz mitgegeben, und die Typen, welche die vier gängigen Temperamente des Menschen verkörpern, sind nur höchst mangelhaft

charakterisiert. Es kommt hier alles auf die Schauspieler und die straffe Regie an. Vor Jahren war Gustav Manker als Regisseur und Bühnen-bükiner eine treffliche Aufführung im Volkstheater gelungen. Diesmal führte er wieder Regie in der Festwochenproduktion im Theater an der Wien. Aber trotz dem Monsteraufgebot an Schauspielern aus nah und fem gelang nur die erste Hälfte. In der zweiten, an sich schon schwächeren Hälfte hatte leider „Simpl“-Boß Karl Farkas ungehemmt bearbeitet und aktualisiert, was Nestroy gar nicht gut bekam, und überdies, weil viel zu lang und mit faden Gesangseinlagen überladen, langweilte. Von den weit über zwei Dutzend Mitwirkenden seien das köstliche Trio der Phlegmatiker an erster Stelle genannt: Hans Olden, Kurt Sowi-netz und besonders Friederike Weber als Tochter. Hermann Thimißf als Papa und Gerti Pall (aus Graz) als Tochter machten den Cholerikern

Der Kornponitt Carl Orff

Karikatur von R. P. Bauer

alle Ehre. Karl Paryla war (solange er sein komödiantisches Temperament noch halbwegs zügeln konnte) ein lustiger Barbier Schlankl und Hugo Gottschlich ein wirklich komischer Stiefelputzer. Das Publikum unterhielt sich in der ersten Hälfte des Abends ausgezeichnet.

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Im Kleinen Theater der Josefstadt gibt es eine sehenswerte Aufführung des amerikanischen Schauspiels „Wer rettet unsern Bauern?“ von Frank D. Gilroy. Lary hat den schwerverwundeten Albert seinerzeit aus der vordersten Feuerlinie geholt und ist dabei so zu Schaden gekommen, daß ihm die Ärzte jetzt nur noch eine kurze Lebensfrist geben. Die zwei Akte schildern, wie Lary seinen ehemaligen Kriegskameraden nach 15 Jahren in einer schäbigen New Yorker Wohnung aufsucht, um zu sehen, ob sich sein „Opfer“ gelohnt hat. Was er vorfindet ist niederschmetternd. Das Stück erinnert ein wenig an das weit unerbittlichere und künstlerisch überragendere Stück „Wer hat Angst von Virginia Woolfe?“ von Edward Albee. Unter der Regie von Heinrich Schnitzler bieten die drei Hauptdarsteller: Michael Toost, Elisabeth Wiedemann (aus Hamburg) und Franz Messner überaus fesselnde Leistungen.

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