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Ehrung für Max Meli

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Zur Feier des 70. Geburtstages von Max Meli bringt das Burgtheater sein „Apostelspiel“ in einer sehr sorgfältigen Regiebearbeitung von Walter Davy. Das „Apostelspiel“ ist heute bereits historischer Zeuge jener Zwischenwelt nach dem ersten Weltkrieg, in manchem zu vergleichen mit Herwigs „Sankt Sebastian am Weddi“g“: wie viele erhofften sich damals, nach dem äußeren „Umsturz“ und „Zusammenbruch“, einen inneren „Aufbruch“, eine „Sanierung der Seelen“. Diese Worte, die einst doch gut gemeint waren, haben heute ihre gute Kraft längst .verloren, sind zu leeren Hülsen und Schoten geworden ... Ist's die Schuld der Politiker oder der Literaten, der Seelsorger oder der Jtigendbewegten, daß das, was nachher kam, so ganz anders aussah, als es gedacht war? Für eine letzte Antwort auf das Versickern und Versdilammer. das religiösen Funkens nach dem ersten Weltkrieg ist die Zeit heute wohl noch nicht reif. Unbillig aber wäre fes, das redliche Bemühen nicht weniger Mänfier und Frauen in jener Zwischenzeit zu verkennen, dem Christlichen näherzukommen und auch andere dafür zu gewinnen. Das „Apostelspiel“ hat in dieser Zwischenzeit eine beachtliche Rolle gespielt: auf großen und kleinen Bühnen hat es Menschen ergriffen, bewegt, gerührt. Es ist, seinem Wesen nach ein Laienspiel, aus der Atmosphäre jener steiermärkiseheh Volks-tumsbewegung, die von der Spätromantik herkommt und die im Kreis um Viktor von Geramb so lebendige Blüten getrieben hat. Es setzt voraus den Glauben einfacher Menschen an die transparente Kraft des Reimes (etwas, was sehr vielen, nicht, nur in der Stadt, heute nahezu unvollziehbar geworden ist!) und ein eigenartig gemischtes katholischprotestantisches Milieu, wie es in steyeri-schen Berggegenden Sich findet. Das Bauernmädchen Magdalena liest im einsamen Berghof jeden Abend die Bibel, hört, mit Luther das Wort, und sieht es sodann, mit katholischer Bildkraft, leibhaftig werden, zur Tür hereintreten In den armen Schelmen Petrus und Johannes, die ihr zu den Aposteln werden. Diese sehr beachtenswerte Mischung grundverschiedener religiöser Aufnahmekategorien hat schon manche Aufführung zum Scheitern gebracht. Davy gelingt es, durch ein Verschieden der Reime, durch sorgliche Vermeidung von Sentimentalität und Pathetik, durch scharfe gegenwartsnahe Kon-turierung (der Johannes des Helmut Janatsch ist ein von der Jugendbewegung, von ihrem linken Flügel herkommender SS-Offizier mittleren. Typs) Akzente sichtbar zu machen, die sonst früher kaum beachtet würden, und vor allem, dem Anliegen des Dichters den hohen Ernst zu retten. Mit Recht konnte sich dm Schluß der Vorstellung Max Meli dem stürmisdien Beifall seines Publikums stellen. Die gute Besetzung (Maierhofer, Berghöfer, Hermann Thimig, Janatsch) und das Bühnenbild (Nordegg) sichern den Erfolg. — Als zweiter Autor des Abends präsentiert sich Jean Giraudoux mit einem reizenden Lustspiel, „Der Apollo von Bellac“, das zu-nädist wie eine Travestierung desselben Themas ins Weltliche, Ironische, Intellektuelle erscheint. Einem jungen stellung-suchenden Pariser Mädel wird ein junger unbekannter Mann zum Glücksbringer, weil er zunächst ihre Phantasie wachrufen kann und dann die gute Kraft des suggestiven Wortes erweist: nenne einen Menschen (in diesem Falle alle Männer) „schön“ und sie sind, sie werden „schön“ — das vertrauenschenkende Wort vermag auch in der weltlichsten Atmosphäre „Wunder“ zu wirken. Eklige, schwierige, sperrige, verkauzte Naturen verwandeln sich zu liebenS-würdigen Kreaturen — arme Geschöpfe sind sie ja alle, die um Mitgefühl, um Sympathie werben, und die hart und dumpf und eklig bleiben, wenn das rechte Wort nicht fällt. Giraudoux bringt seine kleine Predigt für Weltleute so anspruchslos, sich selbst ironisierend und gefällig vor, wie nur ein Geistesarbeiter der westlichen humanistischen Welt seine Ware anbieten kann. ' Höchst reizvoll also der Vergleich der verschiedenen Themen, Temperamente, seelischen Druckpunkte der beiden Stücke und ihrer Autoren. Der Abend muß also auch aus diesem Grunde empfohlen werden! Friedrich Heer

„Der rot-weiß-rote Faden“

Das politische Kabarett sieht sich zu allen Zeiten der befangensten Kritik (Publikum und Zunft) gegenüber. Und es ist klar, warum. Da es 6ich — im Idealfall — souverän über alle Zwistungen, Parteiungen und Befangenheiten erhebt, schafft es sich die denkbar größte Reibfläche und muß faktisch und praktisch überall anecken. Dieses Schicksal teilt auch d&6 tüchtige Programm in dem für Österreichs Metropole unentbehrlich gewordenen „Wiener Werkel“, das unter dem Titel „Der rotweiß-rote Faden“ ein knappes halbes Jahrhundert österreichische Tragikomik zusammenfaßt. Ohne den erwähnten idealen Fall ganz zu erreichen, schwebt es dodi, sichtlich bemüht, unbefangen zu sein, oder doch mindestens: 6ich zu geben, über den Wassern, vermeidet korrekt und sauber jenes zwielichtig Defaitistische oder Zotige, in das sidi 6onst gerne allerdings nur das halbe Können flüchtet, und wahrt eine gewisse nüchterne, besonnene patriotische Haltung. Der er6te Teil rollt ruck- und stoßweise ab, immer wieder abgebremst durch den stark retardierenden dramaturgischen Trick eines an Sich recht inhaltsreichen dokumentarischen „Kleinen Dsterreich-Films“. Der zweite Teil hat Schmia und Schwung. Neben einigen Albernheiten gibt es richtige kabarettistische Volltreffer mit der im Kabarett seit jeher heimischen enormen Stimmungs6diwingung vom wehmütigen „Banjaluka, Banjaluka—Sarajewo“ (im gleichen Stimmungsgrade geht leider das Schnitzlerische Süße-Mädel-Bild „Leutnant Gu6tl“ daneben) bis zur ätzenden Schärfe des Chansons vom ewigen Stiefel. Regie und Darstellung, Bühnenbild und Musik auf ansehnlicher Höhe.

Was unserem heimischen Kabarett im Vergleich zu anderen weltstädtischen Kleinkunstbühnen heute im ganzen zu fehlen scheint, ist der prätentiöse literarische Witz, der Gei6t iin Salz und die Bildung im Pfeffer, Es ist alles um eine Nuance zu harmlos, zu naiv, zuwenig hintergründig. Dieses Manko wird durch den entwaffnenden heimischen Fleiterkeitscharme unserer (nicht früherer!) Tage sehr liebenswürdig, aber doch nur zum Teil weltgemacht.

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