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Die ersten Theaterpremieren - flau

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Bisher stand das Sprechstückprogramm der Festspiele in Salzburg, das heuer infolge des Vorrangs, den das neue Festspielhaus und all die großen, dahin konzentrierten musikalischen Ereignisse einnahmen, ohnehin mehr denn je in den Hintergrund rückte, unter keinem guten Stern. In der nicht ganz verständlichen Meinung, eine interessante Novität zu bieten, begann man mit dem kleinen und eher unscheinbaren Einakter „H u g h i e“ aus dem Nachlaß O ' N e i 11 s, und koppelte ihn, nicht minder unverständlich, mit Molieres „T a r t u f f e“, O'Neills Stück, ein ziemlich düsteres, in einer schmuddeligen Hotelhalle eines New-Yorker Absteigquartiers angesiedeltes (und von Ursula Schuh ins Deutsche — oder richtiger: ins Berlinische übersetztes) Monologstück für zwei Schauspieler, vermittelt zwar jene doppelbödig-realistische Alkoholdunstatmosphäre der großen O'Neill-Stücke von der Art des „Eismann“ und „Fast ein Poet“, hinterläßt aber allzu deutlich den Eindruck einer Gelegenheitsarbeit, eines Nebenprodukts, das irgendwann einmal als Rollenskizze festgehalten worden war. Werner Hinz und Hans Putz verkörpern (in der Inszenierung Oscar Fritz Schuhs) glänzend die zwei Charakterstudien: einen herabgekommenen Berufsspieler, der in verkaterter Stimmung halb erlogen, halb wahrheitsgetreu aus seinem von Einsamkeit, Erfolglosigkeit und dem Selbstbetrug der Gescheiterten gezeichneten Leben erzählt, und einen in der Portierloge ergrauten Träumer, der stets bloß die Eintönigkeit der Welt kennenlernte.

Der „Tartuffe“ nach der Pause (Inszenierung: Ernst Ginsberg, Bühnenbild: Johannes Waltz) geriet hübsch und lebhaft und wäre trotz der von Ernst Ginsberg überchargierten Verkörperung der Titelrolle zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Ort ein legitimer, kleinerer Erfolg geworden. Allein als Festspielanlaß, dem nichts Bedeutenderes zur Seite steht, war dies Spielchen, so bezaubernd auch Inge K o n r a d i s Dorine und so vortrefflich Hans Dieter Zeidlers Orgon und Elfriede Kuzmanys Elmire waren, wohl auch nicht gewichtig genug.

Völlig fehl geriet die mit großem Interesse erwartete Neueinstudierung des Hofmarinsthal-sehen „Jedermann“: Man wollte dem traditionellen Sterben des reichen Mannes auf dem Domplatz eine neue Form geben, man wollte ihn modernisieren, auffrischen, man wollte einen theatralischen Festakt, der, unbekümmert darum, wie man ihn vom Standpunkt der dramatischen Kunst werten mag, in die Atmosphäre Salzburgs hineingewachsen war, zu einer Art Sensation umformen. Das mußte schiefgehen. Schon deshalb, weil die bis zu den nebensächlichsten Details ausgewogene, symbolstarke Form, die Reinhardt für dies nachgedichtete Mysterium gefunden hatte, nicht zu umgehen und in ihren Grundzügen nicht anzutasten ist, so daß allfällige Änderungsversuche im Grunde nur auf oberflächlichen Effekten beruhen können. William D i e t e r 1 e, dem man das ebenso Unmögliche wie Unsinnige einer „Aktualisierung“ des ohnehin schon einmal restaurierten Reinhardt-Konzepts übertrug, fand denn auch keine andere Wahl, als es mit ein paar Regiekniffen zu versuchen. Manches mag lockerer geworden sein, die Tischgesellschaft etwa, doch um den Preis empfindlich gestörten Gleichgewichts, einiges, der Auftritt der Buhlschaft beispielsweise, wurde völlig um seine szenische Wirkung gebracht, und vieles, die Mammonszene unter anderem, wurde willkürlich geändert, ausschließlich zu dem Zweck, daß es anders sei als früher. Auf diese Weise wurde nahezu alles verdorben, ohne daß auch nur annähernd Sinnvolles gewonnen worden wäre. Unter den Neubesetzungen ist Walther R e y e r s überaus natürlicher, kraftvoller Jedermann zu rühmen, während Peter P a s e 11 i s Guter Gesell absolut danebengeriet und Sigrid Marquardts Buhlschaft einigermaßen entsprach. Trefflich fügte sich Ludwig Linkmann als Armer Nachbar ein. Respektabel Dagny S e r v a e s' Mutter, Annemarie Düringers Gute Werke, Benno Sterzen-bachs Mammon: mit Abstand Hugo Lindineers Dicker Vetter und Elisabeth Flickenschiidts Glaube.

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