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Düstere Literatur im Keller

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Als ob sich unversehens ein Gesinnungswandel vollzogen hätte: Die Ambition der Wiener Keller gilt neuerdings dem ernsthaften Theater. (Nur die „Courage" verharrt, uneinig mit ihrem Namen, unverdrossen beim Boulevard, und das Josefstädter Studio im Konzerthaus hält sich — nicht minder im Widerspruch zu seiner Bestimmung — abseits, beim leichten Amüsement.) Am „Parkring“ laufen — zwar etwas verspätet, doch immerhin — J. P. Sartres „Fliegen“, die „Tribüne“ inszenierte unlängst Oedön Horvaths mißglücktes und dennoch überaus ernst zu nehmendes „Pompeji“ — allen voran aber marschieren die Kleinen und die Kleinsten: Sie spielen ohne Rücksicht auf Verluste — Literatur.

Das Leben ist ein Käfig, erfährt man im „Kaleidoskop“ am Naschmarkt; voller Drangsal, Schwächen, Bosheit, Wahrheitssuche und Resignation — und jeder ist sein eigenes Gefangenenhaus. Das schmerzt, auch wenn die Gitterstäbe aus Gold sind. Kurt K 1 i n g e r verkündet es mit viel Poesie, Empfindungsreichtum und hohem Gedankenflug in seinem lyrischen Spiel mit Menschen und Gewändern — so nennt er seinen „Güldenen Käfig". Die ’ Gewänder sind chinesisch,' der Ort der _ TJandlung ,lieg!, im Mittleren Reich der Parabel und kirschem blüfefireichen Sprache — aber Merischeif? Mddrcheh sind da keine: nur Marionetten. Chinoiserien aus literarischem Porzellan. Infolgedessen sind die Rollen schwierig: Im Einsatz stehen Peter Schratt, Brigitte Köhler, Kurt M e j s t r i k und Georg Lhotzky. Regie: Wolf Dietrich, die Bühnenbilder: Robert Schneider Manns-Au.

Das Leben ist düster, hoffnungslos, obskur. Das verlautet in szenisch dichten Theaterskizzen und mit hintergründiger Vehemenz der Französisch schreibende Flame Michel de Ghelderode. Zwei kurze Stücke, Miniaturbeklemmung aus den Fieberträumen fragmentarischer Theaterwildnis, sehen wir im

„Experiment“ in der Liechtensteinstraße. „D e r Klub der Lügner“ und „Ein Abend des Erbarmens". Aller Trug und alle Lüge, Selbsttäuschung und unerfüllte Sehnsucht wird da drastisch abgehandelt: Ein gespenstischer Mummenschanz zwischen trostloser Besäufnis, zerstörten Illusionen und menschlichen Begierden zerrt an den Nerven. Die Anforderungen an das Publikum sind beträchtlich, an das Ensemble entschieden zu hoch. Nur Raimund K u c h a r und Charlotte B a r d o s y können sich behaupten. Die prägnante Inszenierung schuf Rudolf K a u t e k, die Bühnenbilder entwarf E. P 1 a e n e.

Das Leben ist ein einziger, großer, vom Johlen erfüllter Prater: Ein Lachfigurenkabinett, ein primitiver Schauplatz derbsten Humors. So scheint es in den „Kammerspielen“ bei „C h a r 1 e y s Tante“ von Brandon Thomas. Das lächerliche Stück, einer der einfältigsten Schwänke, den die „klassische Lustspielliteratur“ zu bieten hat, steht im Zeichen des beliebten Volkskomikers Heinz Conrads und seiner hemmungslosen Outrage. Der Regisseur Otto Schenk läßt der wild akklamierten, grellen, Komik freien Lauf. Auf.zügelloser Pointen- jagdl5 J efiiĮdęn sich į Fęįtz: H i 11 Martin C O st a,

Elisabeth Berger. Die anderen können nichts dafür.

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