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Klassenkampf als Komödie?

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Das ist bisher nur Italienern gelungen: die härtesten Weltgegensätze und die schwersten innenpolitischen Kämpfe in Roman, Literatur und Komödie herauszuheben aus dem dumpfen Klima des Hasses, der Denunziation, der allseitigen Verdüsterung der Geister. Vielleicht ist’s noch ein Nachklang der großen Kunst des Poverello, des Armen von Assisi, der Frieden stiftete in den im permanenten Bürgerkrieg liegenden italienischen Städten, indem er mit seiner „Spielschar“ vor den beiden Kriegsparteien aufspielte...

So darf es nicht ganz wundernehmen, daß Umberto Morucchio mit den Mitteln und Rollen der alten venezianischen Komödie ein Thema behandelt, das zu den schwierigsten Stoffen unserer westlichen Gesellschaft gehört. „Metallurgiche Tiscornia ', in der Josefstadt unter dem Titel „D e r schönste Tag“ von Werner Kraut inszeniert, behandelt die Situation in einem Großbetrieb der italienischen Industrie, in dem sich kommunistischer Betriebsrat und Unternehmer täglich in den Haaren liegen. Wobei dieses Geschäft noch dadurch zur Erhitzung der Gemüter beiträgt, daß besagtes Unternehmen Gewehre erzeugt und sich als bestzahlender Kunde Amerika vorstellt. Grund genug zum Streit, zum Drama der Streiks, der persönlichen und politischen Gegensätze. Morucchio versteht es nun, dem ebenso interessiert wie amüsiert mitgehenden Publikum zu zeigen, daß auch hier noch die ewige Commedia humana, die Komödie des Menschen, gespielt wird. Dieser wilde Betriebsrat besteht nämlich aus einem nervösen Beamten, einem reschen Weibsbild, das Haare auf den Zähnen hat, einem bulligen Dickkopf und einem jungen Fant.

Der Betriebsführer, Maffeo Tiscornia, ein Herr und Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle (Willy Birgel findet hier die ihm zukommende Rolle), hat leichtes Spiel: er übergibt diesen Arbeitern sein Werk, da er weiß, daß sie mit seiner Führung nicht fertig werden, dient ein Jahr als Sekretär, und übernimmt dann als Generaldirektor den Betrieb wieder. Es ge lingt dem Autor in den beiden ersten Akten, die „Verwandlung“ des Unternehmers in den Angestellten und die Verwandlung der Arbeiter in Herren in köstlichen schwankhaften Situationen ins rechte Licht der Komödie zu stellen. Wobei dem besinnlichen Zuschauer ein Licht aufgeht: wieviel besser würde sich eine Werbung der freien Welt ausmachen, wenn sie mit den Mitteln überlegenen Humors, der Heiterkeit, der Freude das Traurige und Unmenschliche der Diktaturen aufzeigen würde, als dem Terror mit einer Propaganda des Schreckens entgegnen zu wollen. — Leider sackt der dritte Teil ab, wie ein lustiger Luftballon, dem zu früh die Luft ausgeht. Hier hätte ein eigener Einfall die harte Klippe umschiffen müssen: so einfach geht es eben nicht, auch für eine Komödie nicht.

Gespielt wird vorzüglich. Lotte Lang als Vorstadt- megäre, Guido Wieland, Wolfgang Hebenstreit, Franz Meßner als Betriebsräte, Leopold Esterle als „alter Kämpfer“, Karl Fochler als faschistischer Syndikus, Ursula Schult als Sekretärin und Maria Emo als Freundin umgeben Willy Birgel mit viel Farbe, Lichtern und Schatten: saftige Rollen. Mankers Bühnenbild erinnert froh an die offene, helle Ar): moderner Unternehmungen, in Italien und darüber hinaus.

Wer eine flotte, unterhaltsame Komödie sucht, kommt in dem musikalischen Lustspiel „G e r a 1- d i n e“ von Hans I a r a y, Kurt N a c.h m a n n und Gustav Z e 1 i b o r in den Kammerspielen voll auf seine Rechnung. Hier wird gezeigt: es geht auch, ohne „Teufel“, ohne „Heilige“ auf die Bühne zu bemühen, wenn Charme, Klugheit, Witz ein altes Stück in die Hand nehmen. Und ein paar tüchtige Schauspieler das Spiel mischen und dann gehörig ayf- spielen: Jaray, Ernst Waldbrunn, Peter Weck, drei Männer, und vier Frauen: Hertha Staal als Geraldine, an der Spitze. Da geht das Publikum mit und bleibt völlig unbelastet durch physisch-metaphysisches Spektakel. Mensch sein ist, auf der Bühne, genug.

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