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Die ersten Premieren

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Ein Stück über die Jugend 1959, über ihre Nöte und Probleme, über ihre verzweifelt-zweifelhaften Spiele, über ihr Zerwürfnis mit der Welt der inneren und äußeren Verlassenheit wäre ein packendes, brisantes, wichtiges Stück. Das Generationsstück 1959, das wahr und wagemutig die Kluft zu überbrücken sucht, die nach zwei Kriegen und inmitten des Getöses der Automaten, Atomwaffen und Mondraketen aus der Erbmasse des .Vater-Sohn-Konflikts hervorgebrochen ist — so ein Stück wäre verdienstvoll, heilsam, unerläßlich. Es müßte bald geschrieben werden. Josė-Andrė L a c p u r s „Jahrgang 5 9“, zur Zeit zur Saispneröffnung in der Josefstadt zu sehen, ist nicht das Stück, das wir meinen.

Lacours Jugend, die da auf der Josefstädter Bühne in Gestalt eines 1959 aus der Mittelschule (einer französischen Kleinstadt) ins Leben entlassenen Maturajahrgangs inmitten flüchtiger, kolportage- hafter Zeitrafferszenen in zotigem Jargon wirkliche .und vermeintliche moralische Defekte ihrer Eltern kommentiert, repräsentiert nicht nur die junge Generation unserer Tage höchst unzulänglich. (dazu ist sie zu romantisch, zu sentimental), ihre grell und plakathaft, vergilbt-banal abgehandelten Probleme rufen keinerlei dramatische Sensation hervor: weder die Dichtung noch die Wahrheit melden sich zu Wort, und selbst die triste Härte der Zeitkritik erschöpft sich in der Häßlichkeit und Lautstärke des Textes, der kaum Aktion zuläßt.

An der Inszenierung des im Original „L’Annėe du Bac“ lautenden Stückes besticht durch ein hohes Maß jener Präzision, die für den Regisseur Hans J ar a y charakteristisch ist, und durch die- spürbar hingebungsvolle Arbeit, mit der er eine Handvoll junger und jüngster (und eben darum viel zu junger), für dieses juvenile Stück an die Josefstadt beurlaubter Reinhardt-Seminaristen zu Gestalten und Gestaltungen zu führen suchte. Das aus zahlreichen Verstrebungen Und Latten hergestellte Kleinstadtpanorama entwarf Lots Egg,

Das Volkstheater bringt zur Saisoneröffnung’ die Uraufführung der ;,D o n a u b a 11 a d e" von Richard B i 11 i n g e r : Ein wuchtiges Stück, ein schwerfälliges Stück, ein Stück der starken, dichten Atmosphäre, der Visionen, der Käuze und versponnenen Charaktertypen — indes, wenn man das Theater verläßt, verflüchtigt sich der Eindruck, Billingers Theaterpranke wirkt nur knapp über den Schluß der Vorstellung hinaus. Im Gedächtnis bleibt die gedrechselte, in die Fesseln einer monumentalen Bodenständigkeit gepreßte Sprache. Der konstruierte, einer gewaltsamen Verdichtung zugeführte Dialog des Alltags: dieser eigensinnig ins Heimatliterarische, Urige verbogene Wortrhythmus, in dem es um alles in dieser Welt kein Pronomen gibt.

Diese „Donauballade“ mitsamt ihrem nebeligen, unheilvollen und stimmungsreichen Schauplatz (dicht an Ungarns Grenze, am Eisernen Vorhang, vor den Toren des Todes) in- eine normale, echte, starke, menschliche Sprache umgesetzt (so wie Menschen wirklich reden, nicht so wie Billinger sie reden hört) und die Handlung (ländliche Liebe, Mord und Eifersucht) revidiert: ins Innere verlegt, vom Boden der „Eingesessenheit“ gelöst, ins menschlich und psychologisch Gewichtigere, Problematischere, Mehrschichtigere gehoben — und es wäre ein erstrangiges Stück. Jene große zeitgenössische, heimische (und nicht heimatliche) Theaterdichtung, die andere Nationen haben und die uns seit einem Menschenalter fehlt.

Daß alle diese Vorzüge des Stücks trotz seiner starken Belastung wirksam werden, spürbar, nicht zu übersehen, ist das Verdienst der prachtvollen Inszenierung Professor Leon Epps. Dorothea Neff. Heinrich T rimbur, Marianne G e r z n e r, Hans R ü d g e r s und Inge Rosenberg sind die exponierten Stützen einer imponierenden Ensembleleistung. Elisabeth Epp, Viktor Gschmeidler, Benno Smyth, E. A. Georges und Ludwig Blaha bieten eindringliche Charakterzeichnungen. Das Bühnenbild (Werner Schlichting) und die Kostüme (Maxi Tschunko) ergänzen wirkungsvoll.

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