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Der Doktor und die Teufel
Vor drei Jahren brachte das Volkstheater „Unter dem Milchwald“, die Bühnenballade des großen walisischen Dichters Dylan Thomas. Es war ein schwieriges, jedoch packendes, stark beachtetes Ereignis, ein Simultanbildwerk von bezwingender Poesie und Atmosphäre. Ermutigt durch diesen Erfolg, inszenierte Professor Leon E p p das als Bühnenfassung vorliegende Filmdrehbuch desselben Autors, den „Doktor und die Teufel“, die Dramatisierung einer Begebenheit, die sich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in Edinburgh zutrug: Zwei Meuchelmorde; hatten damals Dutzende von Leichen an das Anatomische Institut verkauft — und als die Verbrechen ans Licht kamen, wurde der als Käufer bloßgestellte Anatom, wiewohl es sehr wahrscheinlich schien, daß er um die Herkunft der „Objekte“ wußte, gerichtlich nicht belangt. Acht und Bann, womit ihn die empörte öffentliche Meinung belegt hatte, mußte er indes tragen.
Die dramatisierte Ballade dieses schaurigen Vorganges, in nicht weniger als 77 Verwandlungen auf die Bühne projiziert, kommt an den „Milchwald“ weder vom Worte noch vom Bild, weder als Dichtung noch als Sittenschilderung heran, der verschwenderische Aufwand an Schauspielern und Technik hat sich im Grunde kaum gelohnt: Dies Stück, das nur wenig Poesie ausstrahlt, das nur um ihrer selbst willen breitgetretene Lust am Absurden und Makabren bekundet, dies Monsterwerk, notorisch untheatralisch und nur an ganz wenigen Stellen von dem heißen Atem des legitimen dichterischen Anliegens vorwärtsgetrieben, stößt ab und langweilt zugleich, demonstriert widerwärtige Verbrechen, zwingt uns, ein halbes Dutzend drastisch dargestellter Morde über uns ergehen zu lassen — und bringt es in keiner Szene fertig, die Anteilnahme an einem dramatischen Geschehen zu wecken. Man weiß keinen Augenblick lang, wozu man sich das antut.
Dreiundvierzig Schauspieler stehen, größtenteils in kleinen Episoden, im Einsatz, eine beachtenswerte Ensembleleistung wird vollbracht, allen voran sind Heinrich T r i m b u r in der Rolle des fanatischen Anatomen, Kurt Sowinetz (einer der Mörder), Dorothea N e f f, Susi Peter, und nicht zuletzt Klaus Höring, erfreulich, zum erstenmal in einer eindrucksvollen Gestaltung, zu nennen. Über die Art, wie Edd S t a v j a n i k die Aufgabe des Sprechers löste (er agiert euphorisch in der Figur des Autors, greift in die Handlung ein, versucht den Eindruck zu erwecken, daß er das Werk vor unseren Augen dichtet), läßt sich streiten.
Die Aufführung von Professor E p p hat alle Qualitäten einer bildkräftigen Bewältigung des schwierigen Stoffes, das Bühnenbild —von wunderschönen Projektionsentwürfen Kurt M o 1 d o v a n s bereichert — schuf Professor Gustav M a n k e r, für die sehr eindrucksvollen Kostüme zeichnet Erika Thomasberger. — Unendlich viel Mühe im Dienste eines dramatischen Außenseiterwerks, starker Einsatz für ein Stück, das, so sehr es sich auch in den Zyklus des literarischen Sonderabonnements einfügen mag, wenig Freunde gewinnen wird. Paul Blaha
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