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George ist tot es lebe Walter Richter!

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Der österreichische Farbfilm „D u n j a“ nach der Puschkin-Novelle „Der Postmeister“ ist nur bedingt ein „Remake“ Literarische Stoffe dieser Rangklasse liegen wie die Shakespeare-Dramen oder etwa die Jeanne-d'Arc-„Story“ frei zur Entnahme für den Film da, der daran neue Regie- und Darstellerpersönlichkeiten erproben kann und soll. Nun ist der Fall „Postmeister“ aber doch nicht so einfach. Vor sechzehn Jahren gelang nämlich in unguter Wiener Zeit ein Glücksfall ohne Beispiel: der Gustav-Ucicky-Film mit Heinrich George und Hilde Krahl, für alle drei der Höhepunkt einer künstlerischen Laufbahn, den sie vorher und nachher nicht mehr erreichten. So prägte sich in der Erinnerung einer ganzen Filmgeneration ein festes, gültiges, einmaliges „Postmeister-Bild“ gegen das vor allem der neue österreichische Film — nur in diesem besonderen Sinne also ein richtiges Remake — anzukämpfen hatte.

Das Ergebnis ist wider Erwarten ehrenvoll — für Regisseur und Darsteller, besonders aber für die schöpferische Potenz des österreichischen Films, der scheinbar, einem immanenten Gesetz der Launenhaftigkeit folgend, sich gerne an Dutzenden Bagatellen totsagen läßt und dann plötzlich wieder „da ist“. Die Titeländerung auf „Dunja“ ist, auch wenn sie aus Bescheidenheit erfolgt sein sollte, nicht gerechtfertigt. Immer ist es der Alte, um den es geht: ihm wird in Dunja die Sonne (und das Nebeneinkommen der Postmeistereil) genommen, ihm wird in der berühmten Szene vorgemogelt, die Abgerutschte sei die Reine geblieben, die Arme sei reich geworden (die Sekundenszene mit Lotte Medelsky in der Eisenbahn ist der psychologische Schwerpunkt, der „Talke“ der Filmnovelle) und er bleibt am Schlüsse allein mit seinen nie versiegenden Erinnerungen und der niemals leeren Samagonkaflasche.

Und hier hat denn auch der neue österreichische Film die größte Ueberraschung gebracht: in Walter Richters Postmeister. Man erweist dem neuen „Star“ keinen Dienst, wenn man ihm nachsagt, er habe in Ehrfurcht vor dem erdrückenden Schatten Georges bewußt alles anders gemacht. Nein, so ist es gar nicht. Er h a t ihn nachgespielt. Und er hat bestanden. Und so sehen wir auch das zehn Jahre lang verwaiste Rollenfach Georges wieder neu und würdig besetzt. Wir haben seit heute einen neuen George. Und 'iwir haben einen Walter Richter. Das ist das Entscheidende, ja das filmgeschichtlich Denkwürdige an diesem Film..

Das andere verdient achtungsvolle Erwähnung. Josef v. Bakys dichte Regie, Eva Bartoks scharfintellektuelle und gekonnte (an der Krahl gemessen: weniger instinkthafte) Dunja, Ivan Desny besser, kühler, weniger schematisch als seinerzeit Breuer, Karlheinz Böhm gleich gut wie Holt, Maria Litto nicht so prasselnd-temperamentvoll wie die einstige Margit Svmo usf. Im ganzen aber ein großer Film, ein ausnahmsweise gelungenes Remake, ein Stichtag der heimischen, der europäischen Filmchronik. *

Der unermeßbare Abstand L'Arronges von Raimund schrumpft beträchtlich zusammen, wenn ein Völksstück-Film so restlos gelingt wie Bolvarys Berliner Ausgabe von „Mein Leopold“. Paul Hörbiger spielt mit seinem alten Weigelt, jenem „Verschwender“ von Vaterliebe an ein Früchtchen von Sohn, alle Larmoyanz des Stückes in Grund und Boden. Eine Bombenrolle, die an besten Girardi — und besten Paul Hörbiger erinnert ... Etwa gar ein Comeback7

Hat man erst einmal den Schrecken hinter sich, in dem deutschen Film „H a n u s s e n“ durch die Licentia poetica den bekannten Scharlatan und „Hellseher“ der dreißiger lahre zum Schwarzseher und Künder des kommenden Unheils, den erwiesenen Mitläufer des Nationalismus zum Resistance-Heros umgestempelt zu sehen, so kann man von da ab nur noch angenehm überrascht werden. Ja, die erwähnte kühne These von der doppelten Magie und Dämonie dieser Jahre (uns schon deswegen fatal „nahe“, weil beide, Hanussen und Hitler, österreichischer Herkunft waren) erweist sich im Laufe des Films keineswegs als haltlose Luftkonstruktion, sondern erfährt vielmehr — durch den bruchlosen Stil und Schwung des Films — eine Art Rechtfertigung. O. W. Fischer mag schon größere Rollen gehabt und noch größere haben — so ganz in seinem Element, zwielichtig, hintergründig und Teufel in Halbseide, wird er kaum noch einmal sein Mit Georg Marischka zusammen hat Fischer selbst Regie geführt und brillantes Kino gemacht. Stellenweise sogar mehr.

Der Würgegriff eines trostlosen Weltbildes sitzt uns bei dem nahezu 20 Jahre alten, aber blendend gemachten französischen Film „L e Quai des B r u m e s“ (Hafen im Nebel) mit Jean Gabin, Michel Simon und (der Debütantin) Michele Morgan an der Kehle. Alles will heraus aus Schuld und Schmutz, aber es ist alles umsonst im Leben, meint der Film; alles ist Nebel, sagt die düster malende Kamera. Das Wasser mordet, und der Hafen steht Schmiere dazu. Der Film selbst schwankt: zwischen stimulanter Kolportage und tötendem Kunstwerk.

In „La R o m a n a“ (Die freudlose Straße) ist von der beinahe literarischen Vorlage trotz der Spielleitung Luigi Zampas und einer großen italienischen Besetzung nur das Kolportagehafte und die herausfordernde Verschneidung einer billigen Dirnengeschichte mit nicht ganz klarer Resistance übriggeblieben. Gina Lollobrigida ist auch hier eine große Schauspielerin. Sie in einen Kurvenkrieg mit Sophia Loren zu zerren, heißt Jannings mit Harry Liedtke oder die Garbo mit Hildegard Knef vergleichen wollen.

In den Amerikanern „Beau Brummel — Rebe 1 i und Verführer“, „R 3 überfällig“ und „Endstation Mord“ liegen ein farbiges, historisches Hofgemälde, eine Utopie mit allen Tugenden und Untugenden der alten „Frau im Mond“ und ein Kriminalreißer mit Ehrgeiz vor.

Dem schwedischen Film ist die Ehe mit Deutschland gut bekommen. Man tauscht in „Schweden-mädel“ nicht die Gattin, sondern nur die Braut und hat die übliche Visitekarte des Schwedenfilms, die Nacktaufnahme, fallengelassen. Zauberhafte Aufnahmen aus Stockholm.

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