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Schinderhannes zwischen Caligari, Hitler und...

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Wenn Siegfried Kracauer seinem genial einseitigen Buch über den deutschen Film „Von Cali- gari bis Hitler“ einmal einen zweiten Band anschließen sollte, müßte er die derzeit mächtig reüssierenden Moritatenfilme (vom „Wirtshaus im Spessart“ bis zum „Schinderhannes": irgendwie gehören auch „Das Mädchen Rosemarie“ und „Wir Wunderkinder“ dazu) in einen besonderen seelischen Untergrund einfügen: als murrende, grollende Protesthaltungen gegen moderne, im Grunde erzkonservative Autoritäten unserer (deutschen) Tage. Man könnte die Parallelen boshaft fortspinnen und fragen, ob denn für Helmut Käutner (195 !) und Zuckmayer (1927!) im Film und Buch von „S c h i n d e r h a n n e s“ der im Hintergrund der Räuberromanze immer existente und präsente Napoleon nicht auch so etwas wie eine seinen Schöpfern mehr oder minder bewußte Schlüsselfigur sei... Aber wir sind ja gar nicht boshaft, wir sind ja nur Filmkritiker und begnügen uns mit der Feststellung, daß Käutners „Schinderhannes“ (der dritte von ihm verfilmte „Zuckmayer") eine scharf kolorierte, blendend photographierte, derb dialogisierte Räuberpistole ist, die in vielem (leider und zugleich Gott sei Dank!), beileibe nicht in allem, Käutners ausgeprägte Handschrift führt. Sein Hauptmanko ist: eben das Fehlen oder doch nur Andeuten jenes Hinter- und Untergrundes, der scharfen inneren Kontur, das dem Stoff die letzte menschliche Tragik nimmt (Karl Moor, der Wolfsmilchbruder des Schinderhannes, hat diese Tragik). Curd Jürgens, der Schinderhannes, hat sie nicht; er ist nur ein Lackel in Kraft und Saft. Maria Schell hat sie. Ihr Julchen ist großartig in ihrer naiven, fast animalischen Weiblichkeit; so gut war sie, meine ich, nicht mehr seit der „Letzten Brücke“. — Mit dem Essen wächst der Appetit: Was ist die nächste deutsche Moritat (wenn die obige These stimmt)?

„S t e f a n i e“, ein Ufa-Lustspiel, ist kein deutscher Hammerschlag, kein „Mädchen in Uniform“ (obwohl es darin irgendwie nach „Recht auf Liebe“ riecht), aber ein hübsches, loses Spielchen um Frühlingserwachen eines Teenagers, dem Sabine Sinjen eine fast übergewichtige Zeichnung gibt. Wir wollen uns ihren Namen notieren.

„S k a n d a 1 u m D o d o“ ist österreichisch; Das teilen wir mit den Deutschen: Wenn wir’s im Film den Franzosen mit der Grazie des Erotischen nachmachen wollen, werden wir immer ordinär, trampelhaft. Es scheint uns aber beides nicht zu liegen. Auch die Verulkung des Spießbürgers ist unösterreichisch. Dieser ganze Film ist ein Unglück.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 3 vom 17. Jänner 1959: II (Für alle zulässig): „König der Spaßmacher“ — 111 (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Die Frau meiner Sehnsucht“, „Mit blanker Waffe" — IV (Für Erwachsene): „Der große Fremde“, „Non c’ė amore piu grande“, ,;So ein Millionär hat’s schwer“, „Zeit zu leben und Zeit zu sterben" — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Ein iįemann geht an Land“, „Zauber der Montur“ — IWb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Schinderhannes“ — V (Abzuraten): „Dracula“, „Frauen, die uns nachts begegnen“.

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