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Er suchte Lumpen und fand Seelen

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Die 4. Internationale Festwoche des religiösen Films in Wien, April 195 5, erklomm gleich am zweiten Tag ihren gedanklichen und künstlerischen Höhepunkt: Von einer tiefdringenden geistigen Analyse durch Prof. Andrė Espiau de la Maestre eingeleitet, rollte der Abbė-Pierre-Film „Les Chif- foniers d’Emmaus“ ab und zwang die 2000 Zuschauer restlos in seinen Bann. In einer sehr eindrucksvollen deutschen Sprachfassung geht der Film nunmehr in diesen Tagen unter dem Titel „S i e zerbrachen nicht“ in das Wiener Programm (Studio 1, im Gebäude des Flottenkinos).

Robert Darėnes Film ist ein Werk höchster französischer Impressionskunst. Um den gütigen „Lumpensammler“, dessen ungewöhnliches Lebens- und Liebeswerk Boris Simon in seinem Roman festgehalten hat (Andrė Reybaz bietet in der Rolle des

Abbė Pierre eine vollendete Darstellerleistung, die in der Geschichte des religiösen Films nur in Pierre Fresnays „Monsieur Vincent“ ein ebenbürtiges Gegenstück hat), versammelt der Film ein Dutzend „Apostelköpfe“, hinter deren bildhaften Masken, rohen Sitten und rauhem Schmunzeln eines jeden Kreuz auftaucht und moderne Proletarierschicksale von schier auswegloser Problematik sichtbar werden. Güte und Humor meistern diese Schicksale. Am Ende des Films sind diese halbverhungerten, innen und außen verwilderten Geschöpfe Menschen geworden. Erst von da ab öffnen sich Möglichkeiten einer christlichen Mission für den einen oder anderen. Um die anderen aber wird noch des Abbes nächtliches Gebet bitten, fordern, ringen ...

In den Wandelgängen des Film-Parlamentes flüstert man, der österreichische „K a i s e r j ä g e r“-Film sei ein klug gezimmertes Trampolin, von dem ab Willi Forst einen beherzten Sprung zurück in die einstige Weltgeltung wagen wolle. Dem handgreiflichen finanziellen Comeback, das dieser pfiffige Film darstelle, werde wohl oder übel auch das künstlerische folgen. Aus dieser Sicht darf auch die Kritik diese stofflich federleichte, flüssige, von gut geführten Darstellern temperierte Routinearbeit gelten lassen. Sie wünscht mit dem breiten Volk und allen Freunden des künstlerisch anspruchsvollen Films die Wiederkehr jenes Willi Forst, der sich als Johann Strauß, als immer bedeutsamer und hintergründiger Walzerkönig in die Geschichte des österreichischen Films eingetragen hat. Eine Nuancierung Forst-Ernst MariSchka-Antel auf der Palette der Wiener Film- „Operette“ wäre reizvoll und interessant.

Der Sonderlehrgang für Filmkunst an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien präsentierte als Ergebnis zweier fleißiger Lernjahre in der Albertina zu Wien sechs Kulturfilme; drei Lobgesänge auf Stadt und Land, „Oesterreich, dein Herz i s t W i e n“ — I und II, Winter und Frühling —, von denen besonders der erstere wohlgeraten ist, und „Das Spiel kann beginnen" (Vorarlberg), zwei würdige Musikerporträts: „Prometheus“ (Beethoven) und „Franz Schubert“, und einen nur sprachlich zu pathetischen Film über Kunsthand- werk, ,iV o m Werden der For m“. Die Matura ist glänzend ausgefallen: alle reif mit Auszeichnung. Der Lehrer (Walter Kolm-Veltee) kann sich nicht mehr als wir darüber freuen.

Luis Trenker hat mit „Gold aus Gletschern“ einen handfesten, sauberen, technisch fesselnden und instruktiven Kaprunfilm gemacht, der der Spielfilmverlockung (fast) nicht unterlegen ist. Um so stärker die Wirkung.

Deutschland serviert binnem kurzen die dritte Gerbart-Hauptmann-Verfilmung, „Rose Bernd" und hat mit Maria Schell eine gewichtige, ja ideale Besetzung zu bieten. Die Bearbeitung der Literaturvorlage krankt — wie bei den Vorgängern — weniger an der äußeren Modernisierung und Motorisierung, als vielmehr an der panischen Angst des Films vor den jeweiligen harten Schlüssen, den menschlichen und Weltuntergängen des Dramas, in die der Film immer trübe Lichtblicke eingießen zu müssen glaubt. Erträgt das Filmpublikum wirklich nur mehr das „glückhaft End“?

„El Ahmein" („Divisione Folgore“, italienisch), kann sich kein Happyend leisten. Die Geschichte hat gesprochen. Der Film ist hart, echt, eindrucksvoll. Vom eigentlichen Feldherrn der Wüstenschlacht — Treibstoff — wird allerdings nicht gesprochen. Und gerade darüber hätten wir von italienischer Seite gern etwas gehört.

Leichte deutsche Ware: „Die Christi von der Post“ und „Tausend Melodie n“, stärkere amerikanische Kost: „Mein Wille; ist Gesetz“, „Blutroter Kongo“ und „Die Männerum Hilda Crane“,

Brillanten Witz mit allem Erlaubten und Unerlaubten treibt die englische Gaunerkomödie „Ladykiller“, damit dem späten Chaplin näher als dem frühen.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 6 vom 9. Februar 1957: Ia (Zu empfehlen für Erwachsene und reifere Jugend): „Sie zerbrachen nicht“ — II (Für alle zulässig): „Sieg auf dem K2" — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „1000 Melodien“, „Die Christel von der Post", „Die Barrikaden von San Antone“ — IV (Für Erwachsene): „Mein Wille ist Gesetz" — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Rose Bernd", „Ladykillers“, „Die Männer um Hilda Crane“ — IV b „Herrscher ohne Krone“ — V (Abzuraten): „Gejagte Unschuld “

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