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Ein Hauch von Raimund und Ur-Österreich

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Es ehrt unsere österreichischen Filmregisseure und Drehbuchautoren, daß ein jeder von ihnen in jenem innersten Reservatorium, das von den robustesten Zumutungen der „Branche“ nicht erreicht wird, einen unerlösten künstlerischen Traum hegt: einen, nein „den“ Mozart-Film, den Beethoven-Film, oder: „Unter den Dächern von Wien“, oder „Cavalcade 1914 bis 1945“. Einen der scheinbar unerfüllbarsten, Raimunds „Der Verschwen-d e r“, hat jetzt Leopold Hainisch aus diesem Traum eines österreichischen Reservisten (es gibt derzeit unter den österreichischen Filmregisseuren keine aktiven Offiziere.. .) zu einer heftigen, riskanten Aktion erlöst. Dafür allein sei ihm schon Dank gesagt. Furchtlos wurde den drei Gefahren ins Auge geblickt, die sich gerade diesem subtilen und schwierigen Unterfangen entgegenstemmen: der weitgehenden Wandlung im volkskünstlerischen Empfinden der letzten 100 Jahre (von naiv zu naseweis und abgebrüht), dem Bruch zwischen Raimunds hintergründiger Illusionswelt und dem Urgesetz des Films (der Realität) und schließlich der enormen Verantwortung, der großen Besetzung unvergeßlicher Bühnenaufführungen Gleichrangiges entgegenzusetzen. Am glücklichsten scheint die letztere Gefahr gebannt worden zu sein. Ja, in Josef Meinrad (Valentin) reift greifbar nahe der große, begnadete Volksschauspieler edelster Prägung heran, für Flottwell (und Bettler) gibt es derzeit keinen seriöseren und dämonischeren Interpreten als Attila Hörbiger, und Heinz Moogs Bösewicht-Kammerdiener schlägt mit wachem Instinkt die hier wie nirgendwo besser sichtbare Brücke zwischen Vorstadt und Burgtheater (Raimund und Shakespeare). Dagegen entbehrt Maria Andergasts „Rosa“ der letzten Kammerzofen-Süße und -Frechheit, die vielleicht Inge Konradi mitgebracht hätte (so bleibt der ganze Valentin-Rosa-Komplex irgendwie bläßlich). Raimunds Irrealität wird mit Surrealität zu erreichen versucht — so ähnlich (ganz so nicht) war es auch wirklich für uns Heutige zu meistern. Vielleicht hinderte auch die Farbgebung die letzte Erfüllung: das Gevacolor ist zu scharf und ver-schneüzt. An den übrigen Klüften und Rissen, die uns heute vom vollen Verstehen, Empfinden und Genießen Raimunds trennen und im Film schmerzlich spürbar wurden, ist der Film unschuldig. Es ist ein sauberer, tapferer, musikalisch (Uhl) behutsam bewahrender und erneuernder, darstellerisch hervorragender Film, der endlich wieder einmal das Unnennbare, das Geheimnisvolle, Widersprüchliche und im ganzen doch so Zwingende der Urheimat Oesterreich ahnen läßt.

Abfällt dagegen ein zweiter diesmal ost-österreichischer Film „Abenteuer'im Schloß“; drehbuchlahm, farbenflau und lustlos gespielt; nur ,eine sehenswerte tänzerische Einlage am Schluß („Aschenbrödel“) rettet die Rosenhügelehre.

Auffallend oft kehrt in dieser quantitativ wie qualitativ beachtenswerten Filmwoche das Problem Frau-Kind wieder; als dichte Milieu- und Episodenkunst in dem deutschen Film „Haus des Lebens“ (gemeint ist die Quelle aller Frau-Kind-Freuden und -Leiden: die Gebärklinik), als schöner Schweizer Heimatfilm „H e i d i“ mit einem Schuß Stadt-Land-Problematik und in zwei interessanten Amerikanern: „Durch Liebe neu geboren“, der Ibsens Nora (großartig, aher schlecht synchronisiert: Judy Holliday) mit einer blutigen Verhöhnung modernen Schiebertums mixt, und

„Karawane der F r a u e n“, dem schon einmal und jetzt wieder kraß realistisch verfilmten „Land ohne Frauen“. Ein entzückender Bing-Crosby-Film (auch in ihn fällt ein Kinder-Sonnenstrahl), „H o c h z e i t s p a r a d e“„ leitet zum Hollywood-Schund über: „Die grüne Hölle“ und „Die Herberge zum Roten Pferd“.

Ein prächtig photographierter russischer Film, „Jagd im O z e a n“, ist von einem richtigen Schneewittchen begleitet: „Die tote Zarentochter“; Walt Disney bekommt langsam Schüler — und Meister. Roman H e r 1 e

Filmschäu (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 8/III vom 25. Februar 1953: II (für alle zulässig): „Heidi“, „Der Verschwender“, „Abenteuer im Schloß“, „Jagd im Ozean“ mit „Die tote Zarentochter“; III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Hochzeitsparade“; IV (für Erwachsene): „Haus des Lebens“, „Karawane der Frauen“; IV a (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Die Herberge zum Roten Pferd“.

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