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Das unbeugsame Tlecnt

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Ein Film wie „Urteil von Nürnberg“ ist in keiner anderen Filmnation der Erde denkbar wie in der amerikanischen. Es geht darin nicht nur darum, den Deutschen von gestern und heute, sondern auch Amerika und der ganzen Welt in einer Zeit allgemeiner Natur- und Völkerrechtsunsicherheit den Spiegel des un-beirrten, unbeeinflußbaren Rechtes vorzuhalten — an Hand eines Prozesses gegen vier deutsche Nazijuristen, den höhere amerikanische politische Interessen im kritischen Augenblick abzuwürgen versuchen. Erstaunlich, ja unfaßbar der Mut, mit dem darin schlechtweg alle Problematiken subjektiver und objektiver Rechtsprechung erörtert und sauber und präzise beantwortet werden. Die souveräne Regie Stanley Kramers und das denkwürdige Spiel Spencer Tracys, Burt Lancasters, Richard Wid-marks, Maximilian Schells, Montgomery Clifts, Marlene Dietrichs und Judy Garlands lassen uns leicht über kleine Schönheitsfehler des ungeheuren Dreistundenfilms („Besonders wertvoll“) hinwegsehen. Dieser Film ist der unbestrittene Höhepunkt des Wiener Weihnachtsfestprogramms und des ganzen Filmjahres und darüber hinaus die intensivste geistige und formale Leistung in der ganzen zwielichtigen Chronik des politischen Films.

Noch ein Film sprang in diesen Tagen aus der Reihe, die russische Forschertragödie „Ein Brief, der nicht ab-g i n g“. Ungewöhnlich der Stoffvorwurf, der qualvolle Untergang beinahe eines ganzen Diamantensuchteams in der brennenden Taiga; ungewöhnlich die Form, ein entfesselter Realismus der Kamera, der den Zuschauer an den Rand des Erträglichen führt. Keine Unterhaltung, wahrhaftig, aber in dem kompromißlosen Stil und seiner quasi Rücksichtslosigkeit gegenüber dem sogenannten Massengeschmack imponierend.

Im übrigen Programm, das von Weihnachten bis Neujahr mehr als eineinhalb Dutzend Filme auf den Markt warf, dominierte eindeutig die Komödie. Überraschend gut hielt sich bei stärkster internationaler Konkurrenz Deutschland mit Ladislao Vajdas „Der Lügner“, dem freilich der seelenvolle Charakterhumor Heinz Rühmanns (erstaunlich gut auch Annemarie Düringer) den letzten feinen Duft gibt. Ähnlich märchenhaft war wohl „Freddy und der Millionär“ gedacht, doch heißt der Hauptdarsteller eben nicht Rühmann, sondern Freddy Quinn. Auf Maß gearbeitet sitzt die Rolle O. W. Fischers auch im II. Teil der Spionage-koinödie „Diesmal muß es Kaviar sein“.

Aus allen Rohren feuerte die elegante, geistreiche, witzige französische Komödie. Aus Rene Clairs Satire auf den Einbruch moderner Geschäftemacherei in die Stille des Dorfes, „AI 1 e s G o 1 d di e s e r W el t“, guckt immer wieder noch die Pranke des Löwen, obwohl sie nicht mehr so herzhaft zuschlägt wie einst im Mai; großartig in einer Triple-Rolle der bauern-schlaue Bourvil. Gleich ein Dutzend Rollenverkleidungen bändigt Fran?ois Perier in Andre Roussins „B o b o s s e“, einem Spiel zwischen Bühne und Wirklichkeit, Leben und Traum, dem die hierorts gespielte Originalfassung auch den Reiz des französischen Dialogs beläßt. Betrogene Betrüger geistern durch die köstliche Gaunerkomödie „Der Herr mit den Millionen“, der Jean Gabins saftige Type viel von ihrer moralischen Fragwürdigkeit nimmt.

Aber auch Amerika hält in diesem kichernden Scherzo mit, mit dem herzhaft-humorigen Westerner „Ein Stern im Westen“ (der Stern: Debbie Reynolds) und dem charmanten „Happy-End im September“, in dem die zwerchfellerschütternden Gags und die rassige Besetzung mit Rock Hudson und Gina Lollo-brigida, Bobby Darin und Sandra Dee sowie Walter Slezak (ganz der Herr Papa) einander überbieten. Dagegen rutscht die politische Komödie mit Danny Kaye, „General Pfeifendecke 1“, doch stark in deutschen Klamauk ab.

Ein zauberhaft photographierter, dezent konferierter deutscher Griechenlandfilm, „Traumland der Sehnsucht“, der uns das Land der Griechen mit allen Sinnen und der Seele zu suchen reizt, bildete das Pünktchen auf dem i des Feiertagsprogramms, das wunderlicherweise mehr gehalten als versprochen hat. Wann sonst geschieht das heute im Film?

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): II (Für alle): „Traumland der Sehnsucht“ — IIa (Für alle; für Kinder gewisse Vorbehalte): „Der Lügner“, „Franz von Assisi“, „Freddy und der Millionär“ — III (Für Erwachsene und reifere lugend): „Ich kaufte ein Chinesenmädchen“, „Die geheimnisvolle Insel“ — IV (Für Erwachsene): „Keine Träne für den Mörder“, „Der Raketentrottel“, „Diesmal muß es Kaviar sein“, „Happy-End im September“ — IV (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Heuf gehn wir bummeln“, „Teufelskerle in Fernost“, „Sein Name war Parrish“, „Riviera-Story“ — V (Abzuraten): „Det Killer mit dem Babygesicht“, — = sehenswert.

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