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Die letzte Rebellion

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Das Jahr 1931 war das letzte, in dem der deutsche Film noch einmal gegen die drohende Gefahr des Hitlerismus rebellieren durfte. G. W. Pabst hatte, ein Jahr nach der pazifistischen „Westfront 1918“, noch einmal das Wort in „Kameradschaft“ und der „Dreigroschenoper“, Victor Trivas rräumte in der Frontlegende vom „Niemandsland“ vom alten „Seid umschlungen Millionen“ im Granattrichter, Richard Oswald erzielte mit Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ homerisches Gelächter. Das Lachen verging den Leuten, als im gleichen Jahre Leontine Sagan (unter Assistenz des späteren Hitler-Paraderegisseurs Carl Froelich!) Christa Winsloes Bühnenstück „Gestern und heute“ unter dem Filmtitel „M ädchen in Uniform“ präsentierte. Das war offene Rebellion gegen die angestammte — und die schon hörbar im Stechschru* aufmarschierende Autorität! Denn Manuelas bittere Erlebnisse in einem Potsdamer Internat für höhere Töchter aus verarmten adeligen Offiziersfamilien, der verzweifelte Rettungsversuch ihrer Lehrer-Freundin, des „Fräuleins von Bernburg“, gegen die zuchtwütige Oberin, einen Feldwebel im Kittel, sollten nichts mehr und nichts weniger anprangern als „die vernichtenden Wirkungen des Preußengeistes auf ein sensitives junges Mädchen“ (Siegfried Kracauer). Die Bombenbesetzung mit Dorothea Wieck und der auch im Leben so unglücklichen Hertha Thiele tat sein übriges. Der Film schlug wie eine Granate ein. Zwei Jahre später war Grabesstille.

Alles das wird wieder wach, da nun Geza Radvanyi. mit einem behutsam als „Klassiker“ verfilmten und ebenbürtig neu besetzten Remake aufkreuzt. Es gibt feine, kleine Abweichungen und Ausbiegungen aus dem seinerzeitigen Film, aber sie liegen, meine ich, mehr in uns als im Film. Die Besetzung der Hauptrolle mit Romy Schneider hält jedenfalls der Vorgängerin die Waage, in der großen Schwipsszene (die fast shakespearisch in tiefste Tragik umkippt) bleibt sie eindeutig Siegerin. Eine große Leistung, vielleicht die beste in der kometenhaften Laufbahn Romys. Dagegen bleibt Lilly Palmers damenhafter Charme, scharf und präzise die intelligenten Pointen setzend, doch um eine deutliche Nuance hinter der Vollblut- und Instinktleistung ■Dorothea Wiecks zurück. Im ganzen ein selten gelungenes Remake und ein Film mit brennender, beklemmender Problematik. Sagt nicht, daß sie veraltet sei... I

Es ist ein Musiklehrer und Instrumentensammler in Tirol, Fritz Engel, dessen Frau und sieben Orgelpfeifen, pardon: Buben und Mädel die populäre Tradition der Tra*pp-Familie fortsetzen. Sieben perfekte junge Musiker, darunter ein Achtjähriger mit absolutem Gehör und der Beherrschung von acht Instrumenten, präsentierten sich dieser Tage dem Bundespräsidenten, der Presse und dem überrascht aufhorchenden Wiener Publikum — im Westen und in Deutschland sind „die Engels“ schon ein Begriff — anläßlich der Premiere des österreichischen Farbfilms „Sag ja, Mutti!“. Ihr musikalisches Gefühl und Gespür, das sie den angespannten Bogen von arlter Volksmusik zum Jazz, von Bach zu Hinde-mith „spielend“ meistern läßt, gibt auch dem Film, der. von Alfred Lehner sauber inszeniert, vom Buch und den anderen Rollen her den präzise musizierenden und singenden Kindern die Stichworte liefert, eine eigene Note. Paule, der jüngste, zeigt auch Anläufe zu natürlicher Schauspielerei. Der seriöse Vater scheint uns dafür zu bürgen, daß kein Wunderkind aus ihm wird.

Eine nette amerikanische Komödie, die besser ist als ihr Titel: „100 0 0 Schlafzimmer“, und ein ehrgeiziger Westerner, „Cowboy“, sind zu loben, ein moralisch undiskutabler Franzose, „I m Rausch der Sinne“, ist abzulehnen.

Angesichts des amerikanischen Schund- und Gruselfilms „Hinter den Mauern des Grauens“ ist man fast versucht, Abbitte zu leisten jenen unserer Burgtheater- und Josefstadtkünstlern, denen wir ständig die Teilnahme an untermittelguten heimischen Lustspielen unter die Nase reiben. Denn hier gibt sich ein Star von Weltrang, Charles Laughton, zu etwas her, was an Stupidität nicht mehr überboten werden kann. Berufe sich niemand auf Stevenson (sein Roman „The Sire de Maletroit's Door“ mußte den Kopf herhalten). Nicht jeder Dienstmädchen-Kindesmord ist eine Faust-Tragödie.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 38 vom 20. September 1958: II (Für alle): „Perris Abenteuer“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Das große Rendezvous“, „Die jungen Löwen“, „Sag' ja, Mutti“, „714 antwortet nicht“ — IV (Für Erwachsene): „Der Czardaskönig“, „Taiga“.

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