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Hollywoods „Karamasows“

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Dostojewskijs „Die Brüder Karamasow“ sind noch nicht allzu häufig verfilmt.“ Tourjansky hat sie zweimal, einmal in Rußland, ein zweites Mal in Frankreich, bearbeitet; es gibt ferner zwei deutsche (Froelich-Buchowetzky und Fedor Ozep) und eine italienische Fassung und jetzt eine sechste aus Hollywood (mit dem englischen Bühnenregisseur Richard Brooks). Das hat seinen Grund. Der Verfilmung stemmen sich nicht nur die epische Breite und Doppelbödigkeit des Dichters entgegen- die übet scharfen, beinahe quälenden Antithesen von Sünde-Gnade, Leiden und Erlösung, der Vernünftigkeit des erkennenden und der Unmittelbarkeit des natürlichen Menschen in der überprägten Form der Ueberwindung durch die russische „demütige Orthodoxie“ sind nicht nur der Heimat des Dichters, sondern dem heutigen Menschen überhaupt weitgehend abhanden gekommen: wir „unterspielen“ auch hier das Pathos. Die Amerikaner haben sich jetzt viel Mühe gegeben, und das Ergebnis ist, obwohl eine ganze Dimension unter den Tisch fällt, beachtenswert, die klugen Verkürzungen (auf „nur“ zweieinhalb Stunden), die russische Draperie, die große Besetzung. Viel mehr konnte der Film nicht geben. Nicht ganz band sich die Mischung unterschiedlichster nationaler Potenzen. Hierher gehört die eklatante Fehlbesetzung der Gruschenka. Maria Schell ist darin verzweifelt gut, aber die große Schweizerin konnte,“ in amerikanischem Glyzerin-Make-up und von einem englischen Regisseur geführt, ganz einfach keine russische „fromme Dirne“ sein. Yul Brynners Mitja ist gut, Lee J. Cobbs Vater Karamasow sehr gut. Es gibt große Szenen, hinreißende farbige Bilder und summa summarum einen sauberen, sehenswerten, etwas kühlen und langen Film.

Der Zwei- bis Zweieinhalbstundenfilm scheint vorläufig die letzte Weisheit im Ringkampf Hollywoods mit dem Fernsehen und anderen Kinomüdigkeitsgeistern zu sein. Man spürt die Länge auch in dem großangelegten Marlon-Brando-Film „Sayonara“, einer bunten, modernen Besatzungs-Butterfly, ja noch im wildesten Westen: „Bravados“. Ist das der Weg?

Die Dänen sagen: nein. Eine verdienstvolle Matinee des Verbandes der österreichischen Filmjournalisten machte mit „Goldene Berge“ bekannt; ein

Lubitsch-Film, möchte man sagen. Romeo und lulia auf dem Dorf, sprühend vor Bild- und Wortwitz. Der Einbruch der Oelindianer („Super-Oil-Company“) erinnert an des Wiener Werkels unsterbliche Nazipersiflagen von 1938 („Herr Hofrat, Herr Hofrat, die Samurai kommen!“ — Lassen S' as nur: mir werdn s' scho demoralisieren!“).

„U 47 — Kapitänleutnant Prien“ stammt aus dem Ausverkauf des deutschen Militärwunders. Noch ein solcher Film, und der nächste Weltkrieg ist für Deutschland verloren. — „Der 6 Mann“ ist der zwölfte französische Kriminalfilm in diesem Jahr. Noch ein solcher Film, und Algerien ist verloren.

„Doch endet nicht mit Fluch der Sang.“ Oesterreich und sein „Radetzky-Team“ versuchen, gutzumachen, was sie unlängst verschuldet, und präsentieren auf feinem, silbernen Teller: „Man müßte nochmals 20 sein“. Die (für einen jugendfreien Film) etwas ungemütliche Ausgangsstellung (Großväterchen schneit es plötzlich ein sehr, sehr „natürliches“ Enkelkind ins Haus) wird delikat und charmant liquidiert. Hans Quests Regie führt eine elegante Klinge. Sehr nobel Ewald Baiser, und endlich wieder eine würdige Rolle für Johanna Matz! — Robuster gehen es die Deutschen mit Peter Alexander an: er spielt mit allen Körperteilen in Geza von Cziffras bäurisch-boarischer Revue „Wehe, wenn sie losgelassen“; der klassische russische Filmwitz vom Bankett der feunen Leute, in das die Säue einbrechen („Flotte Bursche“), tut auch noch mit urigen deutschen Rindviechern und Ziegenböcken seine Wirkung.

„F i 1 m s c h a u“ (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 41, vom 11. Oktober 1958: III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Nasser Asphalt.“ — IV (für Erwachsene): „Bravados“, „Die Frau im Morgenrock“, „Fräulein“, „Geh nicht zu nah ans Wasser“. — IV a (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Ferien auf der Sonneninsel“, „Die nackte Wahrheit“. - IV b (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Auf schiefer Bahn“, „Die P-andner-Zwillinge“, „Verzweifelte Frauen“.

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