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Der einsame, hungrige Wolf

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Der Starkult unserer Tage, besonders der alle bisherigen Formen und Ausmaße sprengende Filmstar-Kult, ist ohne metaphysische, ja religiöse Bezüge in seinen Wurzeln kaum zu fassen. Die Geltung James Deans (1932—1955) und der regelrechte Mythus, der sich nach seinem Tod an seine Gestalt heftete, nehmen darin einen Sonderrang ein. Denn auch in der hektischen Geschichte des Film-Starkults stellt es eine Ausnahme dar, daß dem Leben und Tod eines Dreiundzwanzigjährigen und seinem schmalen „Oeuvre“ (im ganzen nur drei Filme: „Jenseits von Eden“, „ .. . denn sie wissen nicht, was sie tun“ und „Giganten“) so unfaßbare Verehrung zuteil wurde. Gewiß: er starb — am 30. September 1955 — den Tod der Tode unserer Tage, den Tod im Hundertkilometertempo auf der Straße (übrigens: durch die Schuld eines anderen, der seine Fahrbahn schnitt), aber das allein reichte nicht aus, Mythus und Kult zu erklären, die erst nach seinem Tode so üppig ins Kraut schössen. Es muß schon im Leben und Rollentyp James Deans etwas gewesen sein, was ihn dem Lebensgefühl seiner vorwiegend jugendlichen Gefolgschaft zutiefst verwandt erscheinen ließ.

„Die lames-Dean-Story“ gibt darüber Auskunft. Dieses junge Leben verlief nicht nur in jenen äußeren Formen (in Stiefeln, Lederjacke und total motorisiert), sondern auch in jenem verzweifelten, säkularisierten ziellosen Suchen nach dem geheimnisvollen „Selbst“ (eine weniger ichbetonte Jugend nannte es einmal: den Sinn des Lebens), den wir heute an den jungen Leuten so häufig feststellen. Daß der Film das nicht in Form einer honigschmie-rigen „Spielhandlung“ mit frappant maskiertem Darsteller — wer hätte das schon sein sollen? — tut, sondern mit einer Art brennender Trockenheit, an Hand von Dokumenten, Familienbildern, Filmszenen und Aussagen von Zeitgenossen, die nur anfangs durch den wichtigtuerischen „Goethejugend-Stil“ de-goutieren, im späteren Verlauf des Films aber immer delikater und eindrucksvoller werden, kann dem Film nicht hoch genug angerechnet werden. Es entsteht damit fast eine neue Filmgattung, so neu, meteorhaft und ungewöhnlich wie der Stern, der Star, dem das Denkmal gegolten.

Mit dem nicht ganz abendfüllenden Film koppelt man hierorts leider eine langweilige Jazzrevue, die anscheinend „den Ton anklingen“ lassen soll. In Wahrheit sind so öde Rhythmen ganz und gar uncharakteristisch für den „einsamen, hungrigen Wolf“ lame Dean, der sie früh gekostet und früh verächtlich und angewidert abgetan hat,

Zum zweiten Male binnen kurzem geschieht es, daß die Dirne, die fatale Gestalt der Filmgeschichte, nicht zu lüsterner oder pseudosozialer Staffage, sonx \nnaA

dem zu todernster, seriöser, moräiisfeVenfer4 VtWfi-matik herangezogen wird. Bei allem Gemeinsamen freilich — was für ein Unterschied: das magische, fast religiöse Helldunkel Fellinis, in dem Cabiria liebt, leidet, und Rolf Thieles „Mädchen Rose-m a r i e“, eine teutonische Mischung von Faust-Gretchen und Nana, ein greller, bitterböser Stoß in die Weichteile des deutschen Wirtschaftswunders! Die Kurtisane war — im Abendland zumindest — zu allen Zeiten die Milchschwester der Prosperität; was man im Frankfurter Nittribit-Prozeß darüber erfuhr, war so wenig erbaulich wie dieser Film. Der Film packt die Stiere bei den Hörnern, scharf, unerhört intelligent und mit der bitteren Ungerechtigkeit der Satire. Er ist dabei Urdeutsch: die Amerikaner haben sich im „Sunset-Boulevard“-Sjil mit. psychoanalytischer Präzision abreagiert; wenn sich die Deutschen selbst kritisieren, wüten sie gegen sich, maßlos, zornig und alle Grenzen sprengend. Das wäre gegen diesen scharf konturierten, blitzgescheiten Film einzuwenden. Mit Scheuklappen freilich läßt sich da, gegen nur schwer ins Feld ziehen. Die “Bonnet“ Intervention in Venedig hat dem Pamphlet des unbestrittenen deutschen Wirtschaftswunders kein gleichwertiges diplomatisches Wunder entgegengesetzt. Die Reaktion war prompt: die Biennale, die UNO des Films, bescheinigte mit mokantem Lächeln, daß Filmdeutschland mit diesem Werk wieder Anschluß an die große Welt gefunden habe.

„W enn Männer zerbrechen“ (amerikanisch) — ein unheimliches Problem: Kollaboration und „Verrat“ unter dem Druck der Gefangenschaft. Die Amerikaner wissen darüber einiges noch aus dem Koreakrieg. Unsere Erinnerungen verblassen schon etwas. Ein starker, interessanter Film.

Es geht leichter, anmutiger zu in der amerikanischen Idylle „T a m m y“, es tanzt und wirbelt ewigjung in dem Marika-Rökk-Film „Bühne frei für Marika“, und es blüht effektvoller höherer Unsinn in der deutschen Urwaldgroteske mit Peter Alexander „Münchhausen in Afrika“.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 3 5 vom 30. August:

III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Mazurka der Liebe“, „Münchhausen in Afrika“, „Tammy“ —

IV (für Erwachsene): „Bühne frei für Marika“, „Teufel im Nacken“ — IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Bis zur letzten Patrone“, „Nachtschwester Ingeborg“ — IVb (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Blitzmädels ah_ die Front* —

V (Abzuraten): „Worüber man nicht spricht“ — VI (Abzulehnen): „Insel der Sonne“.

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