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Tranabe und das Leben

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In einer Zeit, da für so viele Menschen tlle außerirdischen Sicherungen durchge- rannt sind, mag die Frage wohl an- ‘ängig sein: Was tut ein Mensch, der es ichwarz auf weiß bescheinigt bekommt, laß er nur noch sechs Monate zu leben tat? (Die Krankheit unserer Tage par txcellence ist bekannt, an ihrem Ausgang m fortgeschrittenen Stadium ist für Fach- eute und Laien nicht zu zweifeln.) Die aittere Antwort, die der Film erstmals vor 25 Jahren in der Gestalt des Buchhalters Kringelein in „Menschen im Hotel“ und seither noch mehrmals darauf gegeben tat, ist nicht befriedigend. Es ist — 1952 — dem japanischen Film „I k i r u“ vorbeialten geblieben, zur Wurzel vorzustoßen und in seiner Welt und Umwelt eine Lösung zu finden, deren menschliche Haltung und poetische Strahlkraft kaum ihresgleichen haben. Japans Meisterregisseur Akira Kurosawa — wir schwanken, ob wir ihn derzeit nicht an die Spitze der Filmschöpfer der ganzen Welt setzen sollen — hat gleichfalls auf einen Buchhalter (namens Tanabe) gegriffen. Der Aktenstaub und die permanente Versuchung, darin zu verknöchern und selbst zu verstauben, scheint diesen Beruf für solche Ausgangssituationen zu prädestinieren. Tanabe, in der großartigen Maske des Schauspielers Shimura, tut vorerst das kreatürlich Naheliegende. Er stürzt in den banalsten Genuß, den das außerbeam- tische, bürgerliche Leben nach weitverbreiteter Meinung zu bieten hat. Die Ernüchterung ist rasch und gründlich: hier ist nicht „Ikiru“, das Leben, das er brennend sucht und das ihm unter den Fingern zu zerrinnen droht. Das Schicksalbedient sich einer naiven Handlangerin, um Tanabe zur Umkehr zu bringen, und wählt die denkbar einfachste Formel, das Ziel sinnfällig zu machen — aus einem trockengelegten Tümpel wächst unter den zähen Händen Tanabes ein Kinderspielplatz, aus dem verfluchten Aktenstaub steigt das blühende Leben. Tanabes Tod ist nicht mehr sinnlos: er gibt das Leben weiter.

Wenn wir uns in Erinnerung rufen, daß der Film am Ende der alles umbrechenden und beschattenden japanischen Niederlage-, Nachkriegs- und Besatzungsepoche entstanden ist, darf es nicht sehr wun-1 dem, wenn der Film alle religiösen Haltungen und Lösungen ausklammert und eher einer östlichen Spielart eines Goethe- Faustisęhen Humanismus („Wer immer strebend sich: bemühtj den können - wf erlösen") folg). In diesem Reich, von dieser Welt, gibt der Filtm das Beste, was ein Film zu geben hat: eine große menschliche Haltung und eine formal denkwürdige, heute schon filmgeschichtliche Gestaltung.

In einer Gattung, in der sich der deutsche Film noch selten Lorbeer geholt hat, ist die Komödie „Frau Cheneys Ende“, nach einem Bühnenstück Fre- derik Lonsdales, ein weißer Rabe. Man könnte Vergleiche mit Wilde und Shaw ziehen, wenn die Gesellschaftskritik noch deutlicher ausgeprägt wäre und sich der Film und sein sehr gelockerter Regisseur Franz Josef Wild nicht in bloßes glitzerndes Spiel (Martin Held, Lilli Palmer und andere) verlören, aus dem die Moral aus der Unmoral nur mühsam abzulesen ist.

Eine grimmige Enttäuschung bereitet Marlon Brando den Freunden seines harten Spieles als Regisseur des Filmes „D e r Besessene“. Inszene heißt nicht, sich selbst in Szene zu setzen. Das aber hat Brando getan und rundherum nur den üblichen Westerner ausgebrütet. So hat er seinen alten Ruf lädiert und keinen neuen dazugewonnen.

Um dem leidigen Dilemma einer Filmkulturstätte ohne genügend Kulturfilme zu entrinnen, macht die Wiener Urania einen Versuch, der alle Aufmerksamkeit verdient. Er soll Filmreihen bringen: an Montagen „monatsbeste Filme“, an Mittwochen „Vom Kintopp zum Neoverismo" (Die Kriegs- und Nachkriegsjahre), darauffolgend „30 Jahre Gruselfilm“ (Einleitung Goswin Dörfler) und an Donnerstagen „Jugendfilme". Der Anlauf ist vielversprechend. Ob sich aber solche Reihen nicht noch früher totlaufen als eine noch so mühselig laufende Programmierung aktueller Filme?

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): II a (Für alle; für Kinder gewisse Vorbehalte): „Aschenbrödel“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Ikuru“ — IV (Für Erwachsene): „Die Kanonen von Navarone", „Der Fälscher von London“, „Das Schwert des Robin Hood“, „Das Haus in Yokoshimi“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Der Besessene“ — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Die Stunde, die du glücklich bist", „Frau Cheneys Ende“ — VI (Abzulehnen): „Liebhaber für fünf Tage“. — = empfehlenswert.

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