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Theaterbau und primitive Poesie

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Eine von der Arbeitsgruppe 4 unter der fachlichen Oberleitung von Professor Clemens Holzmeister sehr hübsch aufgebaute Ausstellung über den modernen Theaterbau ist derzeit im Österreichischen Bauzentrum im Palais Liechtenstein zu sehen. Sie umfaßt auch einen ausgezeichneten historischen Überblick der Entwicklung des Theaters seit der Antike, der die Evolution über die Mysterien- und Shakespeare-Bühne zum Barocktheater, der Guckkastenbühne und dem Illusionstheater zeigt. Seit dem 18. Jahrhundert ist es das Schicksal zahlreicher Theaterentwürfe, ohne Ausführung zu bleiben — vielleicht ein Zeichen dafür, daß die im Kultischen liegenden Möglichkeiten des Theaters die Architekten immer wieder faszinieren, das Theater aber weitestgehend diese seine eigentliche Funktion verloren hat. Der moderne Theaterbau, von soziologischen, ¡historischen und ideologischen Erwägungen her bestimmt, sucht einerseits nach einem

Mittel, die Massen am Bühnengeschehen teilhaben zu lassen, anderseits darnach, die verschiedenen historischen Möglichkeiten der Szene in einer technischen Synthese zu vereinen, und außerdem, ein neues Verhältnis zwischen Zuschauer und Darsteller herzustellen. Sieht man von so klassischen Beispielen wie dem abgebrochenen Theater Henry van de Veldes, den Entwürfen von Frank Lloyd Wright, den Theatern von Perret und der Holzmeister-Bühne ab, 60 findet man eine Reihe von Entwürfen, die in ihrer oft radikalen Experimentierfreudigkeit die zeitgenössische Bühnenliteratur, was die Möglichkeiten der Szene angeht, bei weitem übertreffen und zum Beispiel in einem Theater gipfeln, das den Zuschauer ausschließt. Den revolutionären szenischen Lösungen vermag dabei die Gestaltung des Raumes nioht immer zu entsprechen, die schwankt zwischen atmosphäreloser Nüchternheit und pseudomoderner Romantik. Der Krise des zeitgenössischen Theaters entspricht eine Krise des Theaterbaues, der ebensowenig seine Form gefunden hat. Besonders interessant erscheinen in diesem Zusammenhang die Wandtheater von Vittorio Gass- mann und Jacques Uffholz, in denen eine soziologische Funktion klaren Ausdruck findet, und das Baukastentheater der Arbeitsgruppe 4.

Löschblattgroße Stadtveduten in strenger Symmetrie, Landschaften und Heiligenbilder, kleine Aquarelle in harmonischen, verhangenen Farben, so präsentieren sich die Arbeiten des polnischen Malers N i k i f o r, die in der „G a 1 e r i e in der Biber Straße“ zu sehen sind. Nikifor ist ein echter „peintre naïf" von der Art des Zöllners Rosseau, ein liebenswerter, heute etwa 65 Jahre alter Analphabet, der sein Verhältnis zur Wirklichkeit, da ihm das Sprechen schwerfällt, mit dem Pinsel demütig und scheu ausdrückt. Wenn seine Arbeiten auch, formal gesehen, nicht „Kunst“ sind, so besitzen sie doch jene Poesie, die aus einem reinen Herzen kommt und sonst nur großen Kunstwerken eigen ist, einen stillen Glanz, der das meiste, das an uns heute mit lautem Geschrei immer wieder herangetragen wird, durch seine bescheidene und lautere Einfalt überstrahlt. Eine unbedingt sehenswerte, bewegende Ausstellung.

Mein Kampf II.

Das Gesicht hat nichts außergewöhnliches an sich. Es ist schmal, fast spitz und verkniffen wie das eines kleinen Kassiers, der soeben ein paar hundert Schilling unterschlagen hat. Auffällt das rhythmische Zucken, oberhalb, unterhalb des rechten Auges, linker Mundwinkel. Das Gesicht ist geneigt und verbirgt die Augen. Ist es ungerührt? „Im Sinne der Anklage nicht schuldig“, sagt jetzt der messerscharfe, schmale Strich. Er sagt es noch einmal, noch einmal und immer wieder.

Man schaudert. Der Prozeß gegen Adolf Eichmann ist noch im Gang, es ist jetzt die neunte Woche. Und schon hat ihn fix, fast ein wenig zu fix, der schwedische Journalist und Dokumentarfilmer Erwin Leiser eingefangen und an die Spitze, in die Mitte und an den Schluß des Filmes „Eichmann und das Dritte Reich“ gestellt. Es ist, nach Leisers eindrucksvollem Film „Mein Kampf“, nun der Tragödie zweiter Teil, technisch nicht ganz so geschlossen wie der erste, thematisch aber noch hintergründiger und dä- moriiScbet: d£s Dritten ‘Reiches schlimm- ster. eg 4P, I TS iau 4pssen Rand sechs’ Millionen toter Juden liegen.. Beklommen fragt man sich ein Dutzendihal: Woher nimmt Leiser, woher nimmt ein Privatmann dieses Bildmaterial? Aus dem Prozeß in Israel, aus nationalsozialistischen parteiinternen Instruktionsfilmen, aus Archiven in Washington, Paris, Prag, Warschau. Das sagt sich leicht. Wie aber kommt ein gewöhnlicher Sterblicher an diese Quellen heran? An ihrer Echtheit ist nicht zu zweifeln, an der der Bilder des verwüsteten Lidice nicht, an der der vielen Befehle, Anordnungen, Briefe, Dokumente nicht. Die Sprache ist verdammt echt So oder so also: Das Material ist nicht in die Hand eines Unwürdigen gekommen. Leiser hat es klug gesichtet und aufgebaut. Leider weist die Wiener Kopie barbarische Schnitte in den Ton hinein auf. Trotzdem — ein atembeklemmender Eindruck. Vermeint ist der Film nicht den Wissenden, auch nicht den Unentwegten, sondern den Millionen, die noch heute zweifeln, schwanken, ob es wirklich so schlimm gewesen sei. Es war noch schlimmer, beweist dieser Film.

Mit Takt und großem Atem hat man ein heikles Werk der Romanliteratur verfilmt: D. H. Lawrences fünfzig Jahre alte Erzählung „Söhne und Liebhaber", die Geschichte eines unseligen Mutter- Sohn-Verhältnisses, verdüstert durch das hoffnungslose Milieu englischer Kohlengruben, das im Leben des Dichters eine dunkle Rolle gespielt hat. Trevor Hovards in Alkohol resignierender Vater könnte der Vater des Dichters sein

Wie an Mutters Schürzenband die Rotznasen hängen sich an Fellinis „Dolce vita" die kleinen Möchtegern. „Liebesnächte in Rom“ heißt der neueste jämmerliche Versuch. Die Kompromittie- rung Roms durch den italienischen Film macht Fortschritte.

Roman H e r 1 e

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): II (Für alle): „Das Mädchen Morgenstern" — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Menschen ohne Nerven“ —

IV (Für Erwachsene): „Jazz-Ekstase“ — IV a (Für Erwachsene, mit Vorbehalt): „Der Gigolo — Spielzeug der Frauen“, „Der Postmeister“, „Rauschgiftbanditen“ —

IV b (Für Erwachsene, mit ernstem Vorbehalt): „Söhne und Liebhaber“, „As.sas- sinos — so heiß, wie die Sonne brennt“ —

V (Abzuraten): Messalina — Kaiserin und Kurtisane", „Liebesnächte in Rom“.

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