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Der andere Liliom

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Als der „Dritte Mann“ einer konsternierten Welt das düstere Wien eines permanenten Rendezvous politischer Ganoven präsentierte, zu dem ein irisierendes Zitherlie'd wie das Totenglöckeri läutete, wurde an dieser Stelle, manchem zum Befremden, die Hoffnung ausgesprochen, daß diesem Film, unbeschadet seiner Verzerrungen und schiefen Abstraktionen, dennoch einmal — rückwirkend — das Verdienst zufallen könnte, das in forcierter Naivität und Selbstherrlichkeit erstarrte Wien-Bild aufgebrochen und die Maler — nicht mehr Waldmüller oder Makart! — zu einem porträttreueren, zeitnaheren Konterfei angeregt zu haben. Diese Erwartung scheint sich zu erfüllen. Obwohl die heimische Branche zum Teil diesem revolutionären Impetus ein erbittertes Rückzugsgefecht liefert (nach ihr erscheint der Steffel noch heute mehr aus Naschgier in Zucker und Schmalz als aus gotischer Frömmigkeit in Stein erbaut), so gab es doch seither daneben auch ein Von wechselndem Erfolg begleitetes keckes bis kühnes Experimentieren (die kecken „Wienerinnen“ griffen daneben, die kühne „Symphonie Wien“ nach den Sternen), das Keime für die Zukunft Birgt. Hierher gehört auch Paul Verhoevens neuer Film „P r a t e r-herze n“. Allerdings ist er auf halbem Weg, förmlich erschrocken über sein tolles Vorhaben, die Menschen und Schicksale des Praters einmal erzittern und erbeben zu lassen, umgekehrt und hat die angezogenen Verwirrungen und Verwicklungen am Ende schließlich nach der heute so beliebten „Methode Antel“ — einmal zwei is' nix, zweimal rwei ist fix, dreimal zwei ist six — „gelöst“. Liliom, das Pratermärchen des Jahrhunderts ist der Fabel Pate gestanden. Es schadet wenig dabei, daß der neue — deutschösterreichische — Liliom selber dem Albers näher als dem Girardi oder Hörbiger ist: Curd Jürgens ist und kann zu viel, als daß ihm nicht auch in dieser seit eh und je irgendwie interalliierten Zone des Praterbetriebes ein ganzer Kerl gelänge — auch im seinerzeitigen „Vorstadtvariete“ war Luise Ullrichs Partner Mathias Wieman und „sei Muatterl“ „ka Weanerin“. Hier kommt das Wiener Lüfterl von Christi Mardayn, und das ist gar nicht wenig. Auch die Kamera hat ihren Anteil daran, und der rasante Schnitt der Geisterbahnfahrt ist ein Gustostückerl. Ueber dem Ganzen liegt freilich so etwas wie ein fremder, feiner Schleier. Aber das mag zum Teil auch daher kommen, daß der heutige Prater selber für uns nicht mehr jener intime Spiegel der Wiener Volksseele von ehedem ist, seit Feuer und Rauch auf seine alten Bäume und Buden und Bretter fiel.

Zarah Leanders Wiederkommen, in „Gabriela“ noch nicht sehr überzeugend angekündigt, wird in dem neuen deutschen Film „Cuba C abana“ eindrucksvoll bestätigt. Fabel und Umwelt lehnen sich stark an „La Habanera“ an; auch die schwermütigen oder erotisch flimmernden Songs, von Zarah Leander wie nur je mit allem beruhigenden Timbre ihrer androgynen rauhen Kehle serviert und pointiert, haben, nach Herbert Winds seinerzeitigen großartigen Improvisationen, ■ in Heino Gazes Komposition eine kaum für möglich gehaltene musikalische Erneuerung gefunden, gegen die schwülen Texte gibt es Einwände. Den älteren Liebhaber spielt sehr nobel und männlich Paul Hartmann, dagegen mutet O. W. Fischer in der Rolle des jüngeren Draufgänger» — offenbar durch die enorme Beschäftigung im deutschen Film des letzten Jahres — irgendwie überspielt an (dem Manne scheint langsam, mit dem Quadrate der Entfernung vom Burgtheater, die künstlerische Selbstkontrolle zu entgleiten). Am Rande eines ernsten Nachkriegsproblems, der Verfemtheit des mischfarbigen „Besatzungskindes“, bewegt sich der deutsche Film „T o x i“. Vor dem Abgrund schließt er zwar die Augen, dafür erfüllt er die anspruchsvolle Handlung mit gemütvoller Wärme. So wird ein richtiger Kinderfilm daraus, und es mag vielleicht wirklich im Augenblick wichtiger sein, die Kleinen frühzeitig zu Vernunft und Güte im Anblick eines Konfliktes zu führen, an dem der tierische Ernst der Großen tausendmal gescheitert ist.

Daß gerade die Italiener und nicht Hollywood die schwierigen nationalen und sozialen Voraussetzungen, die zur Weltsensatiön des sizilianischen Karl Moor führten, so reißerisch verflachen würden, war nicht abzusehen. In dem Roma-Film Aldo Verganos (mit dem inzwischen verstorbenen Ermanno Randi), „G i u 1 i a n o“, ist das geschehen. Und zwar gründlich. Es ist schade darum. Denn wenn es auch kein Schiller, so hätte es doch ein Rosselini oder De Sica werden können.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. J/III vom 21. Jänner 1953: II (für alle zulässig): „Toxi“; III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Im Dutzend heiratsfähig“; IV (für Erwachsene): „Praterherzen“; IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Alarm in der Unterwelt“, „Bis zum letzten Atemzug“, „Giuliano“; IVb (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Cuba Cabana“.

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