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„Verdammt in alle Ewigkeit“

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.Damit kein Mißverständnis entstehe: es besteht hier nicht eigentlich Anlaß, James Jones'Best-Seller „Verdammt in alle Ewigkeit"(From here to Eternity) gegenüber dem Film in Schutz zu nehmen. Das Buch ist das schauerliche Pamphlet eines modernen ideal- und illusionslosen Tramps gegen alles, was voty unten, also aus der Froschperspektive, nach Macht und Ordnung von heute aussieht. Die deutsche Uebersetzung Otto Schrags tat in ihrem heißen Bemühen, den unfaßbaren Kommiß- und Latrinenjargon des Originals liebevoll herauszuarbeiten, ja darin noch Fleißaufgaben zu machen (wozu der preußische Scharm Gelegenheit bot), noch ein übriges, um das Buch unter Salonrevoluzzern wie unter entnervten literarischen Genüßlern populär zu machen. Der Roman spielt in der „Ananasarmee" auf Hawai, einige Monate vor bis wenige Wochen nach Pearl Harbour, und rückt in den Mittelpunkt die Gestalt des jungen „Dreißigenders" Robert E. Lee Prewitt, der vom Tage seiner Versetzung aus dem Musikzug in die Kompanie an in den unerbittlichen Mechanismus des Kommiß’ gerät und dabei sich selbst und alle und alles ringsum mit grausamer Folgerichtigkeit ins Verderben mitzieht.

Wenn noch niemals die weltgeschichtliche Sendung Hollywoods, über schauerliche Abgründe hauchzarte Spinnwebenbrücken zu bauen, in brüllende Gewitter Regenbogen zu malen und dem zermürbenden Alltag abends unwahrscheinlich schöne und herzergreifende Zapfenstreiche zu blasen, ruchbar wurde — hier wurde sie es, in peinlichem, handgreiflichem Ausmaß. Aus den Leuteschindern Jones’ wurden Idealführer, aus hysterischen Ehebrecherinnen verkannte Seelchen, aus den berüchtigten Armeebordellen ehrsame Klubs, das Inferno des Jonesschen Militärgefängnisses wurde unsichtbare Außenhandlung, Käptn Holmes fällt (blutiger Hohn des Romans) im Film nicht hinauf, sondern wird für seine bösen Taten bestraft, und der Deserteur und Zuhälter Prewitt säuft nach Pearl Harbour nicht eine Woche lang, sondern eilt blitzschnell zurück zur Kompanie. So macht man’s, um aus einem Pamphlet ein Heldenepos, aus einem Gassenhauer eine Mondscheinsonate zu machen!

Es wäre Hollywood an sich nicht zu verübeln, wenn es 1953 einen Film „zur Stärkung des Wehrgedankens” drehte… Man könnte zur Not noch verstehen, wenn es dazu eine realistische Vorlage heranzieht und daraus filmisch und sprachlich nicht tragbare Kraßheiten ausmerzt. Unfair, unehrlich und verwerflich aber ist es, alle kritischen und anklagenden Züge und Tendenzen eines Buches rundweg ins Gegenteil zu verkehren. Das heißt man, aus dem „Simplizius Simplizissimus" ein Nibelungenlied oder aus dem „Wozzeck" ein Marschlied von Herms Niel zu machen: Und das heißt Erika. Und das heißt: die Leute dumm machen, dümmer als sie sind. Und das dürfte eigentlich nicht sein.

Der Film erhielt drüben acht „Oscars".

In Deutschland nannte man es einmal staatspolitisch und künstlerisch wertvoll, zugelassen an den Feiertagen der Nation.

Aber seien wir nicht ungerecht, auch unser Anteil ist gesichert: Regie führte in diesem Film ein gebürtiger Oesterreicher mit dem klingenden Namen Fred Zimmermann.

Verdammt so was. Verdammt in alle Ewigkeit,

Eine ungewöhnliche Gattung stellt der deutsche Film „Bei dir war es immer so schön" dar. Er ist als ein klingender Nekrolog für Deutschlands profiliertesten Filmkomponisten der letzten 25 Jahre, Theo Mackeben, gedacht. Das Buch der Rahmenhandlung und die Regie des Willi-Forst-Schülexs Hans Wolff lassen an Banalität nichts zu wünschen übrig; auch die Darstellung erhebt sich nur an einer einzigen Stelle, einem parodistischen Star-Ulk Georg Thomallas, über den Durchschnitt; aufsehenerregend allerdings ist die Choreographie Dia Luccas, und hier besonders die starke Leistung des Solotanzpaares Willi Dirtl-Grete Sellier. Aber erst die „Einlagen" prägen die besondere Kontur des Films. Was Zarah Leander, Kirsten Heiberg und Willi Forst, in einigem Abstand auch noch Margot Hielscher und Sonja Ziemann an einstigen (neu gedrehten!) „Schlagerszenen" zu bieten haben, ist wahrhaftig sehens- und hörenswert. Besonders der raffinierte, stimmgewaltige Vortrag Zarah Leanders, der sich Beifall auf offener Szene holt, rückt die Möglichkeit nahe, daß wir noch einmal — ein drittes Mal — mit einem überraschenden, richtigen Comeback dieser eigenartigen Frau zu rechnen haben.

Ein Glücksfall, wie er gerade in der verfilmten Operette nicht eben häufig ist, ist der deutsche

Film „Der Zigeunerbaro n". Mit kräftigen Retuschen des Originallibrettos und der nicht ganz verständlichen Koloritmischung Ungarn-Jugoslawien sichert er sich Selbständigkeit, Atemfreiheit, um dann alle Trümpfe des „Filmischen" auszuspielen. Dem Auge bieten sich turbulente Szenen in berückenden Farben, dem Ohr schmeicheln die unsterblichen Melodien des Walzerkönigs. Der Aufmarsch der Darsteller ist imposant, das musikalische Arrangement befriedigend. Rabenalts Regie hat Schwung, Laune, Stimmung. Kein Baron, ein Kiraly unter den Filmoperetten!

Das alte Thema der Jugend,. die aus unglücklichem Elternmilieu ins Unglück außer Haus flüchtet, blendet der italienische Film „Erste Liebe“ in einen verschrobenen Sonderfall hinein: Die Vater- bzw. Mutterschaft zweier halben Kinder. Die peinliche Konstruktion wird durch die keusche Darstellung der beiden Kinderrollen und durch eine grandiose Episodenleistung Aldo Fa- bricis in der Rolle eines im Zwielicht von kriminellem Zynismus und lauterster Vaterliebe stellenden Mannes nicht aufgehoben. Fabel und Rollentypen erinnern irgendwie an das schmetternde Motto der schwedischen „Gewerkschaftsfilme": Wir sind jung, und das ist nackt…

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 37 vom 16. September 1954: II (Für alle zulässig): „Marinas Schicksal", „5000 Jahre Aegypten" — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Julius Caesar" — IV (Für Erwachsene): „Spartacus, der Rebell von Rom", „Das Licht der Liebe", „Der Zigeunerbaron", „Weißer Herrscher über Tonga" ?— IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Anna von Singapur".

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