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Sprung über den Schatten

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Bin zukunftsweisender Film

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Bin zukunftsweisender Film

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Das fängt ja gut an, denkt der Besucher des Films „Das Himmelbett" amerikanisch, deutsch synchronisiert in der ersten Viertelstunde. Zwei junge Ehegatten umschleichen in der Hochzeitsnacht ein Mordstrumm Himmelbett wie die Katzen den heißen Brei. Wie soll das weitergehen — zwei Stunden lang, ist die zweite Frage, denn der Besucher weiß aus den Ankündigungen, vielleicht auch vom Echo des vorjährigen Bühnengastspiels Victor de Kowas in den Wiener Kammerspielen, daß dieses Stück von Jan de Har- tog nur zwei, eben diese zwei Rollen enthält, wenn sich nicht besagtes Himmelbett etwa als dritte, als Hauptrolle, in den Vordergrund spielen sollte… Und dann kommt die Ueberraschung. Unversehens gleitet das Lustspiel aus der seichten und lasziven Konversation, die sich post festum als Trick, als notwendige Exposition zu der ganzen Edelpatinierung der Alltagsbanalität entpuppt, in einen tief ankernden Komödienton, in eine bezaubernde Sublimierung einer durch nichts besonderen Geschichte einer Ehe von der Wiege bis zum Grabe. Gewicht im Heiteren — sogar die abstrakten graphischen Passagen sprühen von Munterkeit und Gescheitheit —, Gewicht im Ernst: der Soldatentod des Buben spiegelt sich im Grauen der Mutter, die unversehens den grausam und bedeutungsvoll abschnurrenden Mechanismus seines einstigen Spielzeuges in Bewegung gesetzt hat. Dieser Film beweist unseren Irrweg, wenn wir an den Film die traditionellen Maßstäbe der alten oder einer neukonstruierten Kunstlehre anlegen wollen. Er sündigt in flagranti und zwei Stunden lang permanent gegen so gut wie alle Gesetze der zünftigen Filmkunde, aber das Ergebnis ist bestechend. Von hier, von der In- tellingenz, ginge es weiter im Film, aber nicht davon, daß das Himmelbett nach Cinemascope um fünf Meter breiter oder der Nachttopf der beiden Partner plastisch sichtbar würde. Bravo: Regie Irving Reis! Bravo: Lilli Palmer und Rex Harrison auch in Wirklichkeit ein Ehepaar. Sie sprin- gen über den Schatten der dritten Dimension und landen im strahlenden Licht der vierten: der geistigen Qualität des Films.

Also doch noch „Neues im Westen": ,.B a s t o g n e" amerikanisch klebt nicht am Remarque-Film, obwohl diese Geschichte eines amerikanischen Fallschirmjägerbataillons, das im Winter 44 unter schweren Drangsalen der Rund- stedt-Offensive trotzt, manche Züge davon aufweist. Vieles aber davon ist reifer, lockerer, freier geworden. Schade, daß die deutschen Gegenspieler so verkrampft marionettenhaft wirken — der Film wäre mit solchem fair play, das eigentlich ohnehin sonst amerikanische Art ist, schlechtweg vollkommen zu nennen.

„Fluch der Schönheit" italienisch läßt auf dem Hintergrund einer sehr echten neapolitanischen Umweltschilderung, die sich bis auf Einzelheiten des berühmten Bela Baläzsschen „Geräuschraumes" erstreckt Regie: De Santisl, eine nicht ebenso glückliche Fabel abrollen. Silvana Pampanini in der Rolle einer Liebesneugierigen, die nach Enttäuschungen wieder heimfindet, ist von jener starren Glätte, die auch sonst ihren Filmen jede mimische Dynamik nimmt. Jedenfalls ist der Film besser als sein Titel.

„Jonny rettet Nebrador" — und Hans Albers diesen Film, eine stellenweise bissige, dann aber doch wieder recht gequält lustige Revolutionssatire, für die die Deutschen niemals die richtige lockere Hand haben — weil sie selber immer „dagegen sind". Auch die deutsche „Erotik" spielt wieder im obligaten Dienstmädchendekollete Margot Hielschers ihr einziges, unglückliches Trumpfas aus. Der Film riecht irgendwie nach „Trenck, der Pandur" — schon wegen der „beiden Albers", die hier wieder zum Abschluß in einem Bild erscheinen.

Hosenrollen gibt es nur in der Bühnenillusion, aber nicht in der Realität des Films. Das muß der deutsch-schweizerische Bergfilm nach Ernst Zahn „D as Geheimnis vom Bergsee" am eigenen Leib seiner Hauptdarstellerin erfahren. „Sie" spielt nämlich einen Jungen. Wie entdeckt das ihre Umgebung? Sie muß baden gehen, sie muß im Institut unter die Brause, sie muß — ach, der Film macht das so treuherzig-tolpatschig, daß man ihm dessentwegen nicht böse sein kann. Glanzstück ist der hausbackene Film freilich auch keines. Uebrigens: Ich habe noch keinen ISjähri- gen Herrn Buben getroffen, dessen Stimme noch nicht mutiert hätte Das hätte, wenn schon nicht dem Bürgermeister, der Großmutter und den Kameraden des „Buben", so doch wenigstens dem Drehbuchautor und dem Regisseur auffallen müssen. Aber es geschehen halt auch noch Wunder. hat Willi Forst einmal georakelt:

Unter drei amerikanischen „Schinken" ist die Indianergeschichte „Drei waren Verräter" noch der genießbarste; dagegen riechen die 3-D- Scherze in „Der schweigsame Fremde" schon stark abgelegen, und das furchtbare Phänomen der Atomkraft zu einer Neuinszenierung des „King Kong" zu benützen — „Panik in New York" —, ist, gelinde gesagt, ohne Geschmack.

Filmschau Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich, Nr. 2930 vom 29. Juli 1954: I a zu empfehlen für Erwachsene und reifere Jugend: „Geschichte einer Seele" —für Erwachsene und reifere Jugend: „Frauen um Dr. Corday", „Die Dschungelgöttin" — IV für Erwachsene: „Panik in New York", „Bastogne", „Der schweigsame Fremde", „Das Lied vom Verrat", „Das Himmelbett", „Allen Gefahren zum Trotz", „Im goldenen Westen", „Mädchen vom Geheimdienst" —a für Erwachsene mit Vorbehalt: „Jonny rettet Nebrador", „Fluch der Schönheit", „Sehnsucht des Herzens", „Der Garten Allahs" — IV b für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt: „Das Geheimnis vom Bergsee", „Nero — der Untergang Roms".

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