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Pariser Himmel — grau verhangen

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.Unter den Dächern von Paris — das war die singende, klingende Straße von Paris, das Kaifeehaus, die Dachstube, die Liebe und das Leben: das war, vor 23 Jahren, Renė Claire. War es von Duviviers Jubiläumsgeschenk an die 2000jährige Metropole, dem neuen Film „Unter dem Himmel von Paris“, zuviel erwartet, wenn wir, dem Sinn des Titels folgend, einen Ausblick über die Dächer hinaus erhofften, einen Aufblick — wenn anders wir unter dem „Himmel“ nicht eine nüchterne astronomische Kulisse oder einen ästhetischen Gaumenkitzel veretehen? Ach, dieses „Unter dem Himmel Duviviers! Diese Erde … Eine verzweifelte Katzenmutter, ein Mädchen aus der Provinz, das der Liebe davon- und einem grausigen Tod in die Arme läuft, ein Opfer des Streiks und ein Opfer akademischer Prüfungsbürokratie … Und im Nervenzentrum des Films, der Gestalt des Lustmörders, steigt Duvivier gar unter die Erde, sozusagen in das seelische Kanalsystem der Stadt. Zugegeben, die alte Klaue Duviviers ist noch da. Da6 Netz der Fäden ist raffiniert gezogen und gespannt, der .romantische Neoverismo“ erhascht Blitzlichter von starker, erhellender Kraft, aber der Würgegriff einer bedrückenden, intellektuell forcierten und kontrollierten Müdigkeit, ja Trostlosigkeit erstickt jeden befreienden, aufatmenden Anlauf. Dazu kommt, daß uns von den wesentlichen Komponenten einer filmischen Atmosphäre, Bild, Handlung und Dialog, der letztere, also ein gutes Drittel, in Gestalt einer zwar verzweifelt bemühten, im Prinzip aber doch barbarischen Synchronfassung verlorengeiht. So bleibt nicht mehr als ein problematischer, eigenwilliger Versuch übrig, über eine Stadt, die mehr al6 andere lebendige Impulse hat und gibt, einen grau verhängten Himmel zu breiten, unter dem sie wohl kaum 2000 Jahre so unbändig gelebt, geliebt und geleuchtet hätte.

.Veronika, die Magd ist Ilse Exl ln einem deutschen Film mit Tiroler Bergen und Darstellern. Eine imponierende Darstellerleistung, mit Herztönen früher Wessely- Gestalten. Aber der Film! Konservativ bis in die Knochen in Buch, Stil und Musiki „fortschrittlich“ aber und „zeitnah bis zur bedenklichsten Unbekümmertheit in allen Fragen der Liebe, Ehe und Scheidung. Bauernbrauch? Veronika, Veronika! Stammt dieses Dirndl nicht aus Großstadtkonfektion?

Das uralte Thema vom Kampf ums Recht übt in der Theatralik des frühen Tonfilms im deutschen Film „D r e y f u 6 noch immer 6eine Wirkung aus, unterstützt durch eine Darstellung (Kortner, Bassermann, George, Homolka, Bildt, Rasp, Kampers, Hendcels und andere), die es in dieser Konzentration großer Namen im deutschen Film und auf der Bühne heute nicht mehr gibt. In Kameraführung und Sprechweise merkt man dem Film sein Entstehungsjahr (1930) an, französisch sind nur die Uniformen, der Dramenstil ist deutsch, aber es ist eben ein Drama, und es wird von wirklichen Schauspielern gespielt. Davor verblassen 22 Jahre.

Nur Bilderbuchaufgaben erfüllt die Farbe in den zwei Farbfilmen dieser Woche, In dem amerikanischen Abenteurerfilm „K i m ist 6ie nur Steigerung der an Ort und Stelle in Indien gedrehten authentischen Kulisse, während die Verdienste de6 britischen Geheimdienstes um die Aufrechterhaltung der Herrschaft de Empire in Indien — der Film 6pielt 1895 — nur Aufputz einei Abenteuergeschichte sind. Im westdeutschen Film „Das weiße Abenteuer“ wäre die Farbe gar nicht nötig gewesen Denn die recht lässig dahinplätschernde heitere Kriminalgeschichte mit bewährten Komikern und einem vielversprechenden neuen Gesicht neben anderen weniger hoffnungsvollen, gedreht an Schauplätzen in Oberbayern, Salzburg und Kitzbühel, hätte auch ak Schwarzweißfilm ihre Wirkung erreicht: harmloser Zeitvertreib zu sein.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich, Nr. 6 vom 6. Februar 1952): III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Die Todeskurve“, „Affäre Dreyfus“, „Das weiße Abenteuer“, „Auf Leben und Tod“, „Kim — Geheimdienst in Indien“. — IV (für Erwachsene): „Unter dem Himmel von Paris , „Meisterdetektiv Nick .— IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Rebellen der Steppe . — IVb (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): .Veronika, die

Magd.

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