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Der „sichtbare Mensch“ in der Krise der Zeit

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Der Film in der Zeit — und die Zeit in der Entscheidung: aus Filmen und Vorträgen, von Priestern und Laien kam das Problem wie von selbst aus den Tagen der religiösen Filmfestwochen in Wien heraus.

Am breitesten aufgerollt und am schärfsten formuliert hieß es bei Dozent Dr. Alfons Plankensteiner, Innsbruck („Der Film in der geistigen Krise der Zeit“): Kind seiner Zeit, spürbarster Ausdruck ihrer Krise, das heißt ihrer Entscheidung zu Gesundung oder Tod, ist der Film wohl in allen seinen Eigenheiten: Diesseitsgläubigkeit, Sinnlichkeit, Oberflächlichkeit und Flucht in die Vermassung, dieser Zeit adäquat, spiegelt aber gerade deshalb deutlicher als andere künstlerische Aussagen auch ihr unverkennbares Ringen um neue Werte, die Ansätze zu einer großen Umkehr wider, zu der der Film selbst bedeutend beitragen kann.

Die höchste Aufgabe wies ihm P. Dr. Alfred Focke S. J. zu: im Sinnlichen das Metaphysische zu erschließen und damit die verlorene mittelalterliche Einheit von Geist und Sinn wiederzuentdecken. Der hohe Stand der Entwicklung des „religiösen Bildes“ aus dem „rein sinnlichen“ über das „kulturelle (künstlerische) Bild“ berechtige zu einiger Hoffnung.

Diesem religiösen Film im engeren Sinn widmete P. Dr. Charles Re inert S. J., Zürich, Vizepräsident des „Office catholique internationale du cinema“ in Brüssel, eine exakte Untersuchung über Wesen und Möglichkeiten, Schwierigkeiten und Grenzen. Von den aufgezeigten fünf Gattungen des religiösen Films (katechetischer, hagiographischer, Dokumentär-, Spiel- und Mysterienfilm) steht der hagiographische Film (Film vom Leben Christi oder eines Heiligen) immer wieder zur Diskussion. Es ist dabei nicht allgemein bekannt, daß der Christusfilm von protestantischer Seite scharf und ohne Zugeständnis abgelehnt, von katholischer Seite mit kritischer Zurückhaltung beobachtet wird. Daß der hagiographische Film trotz allen Irrungen (neuerdings wieder „Fabiola") auch voll gelingen, ja zu einem einzigartigen Erlebnis werden kann, beweist der Film „Monsieur .Vincent“.

Am Rande des schwierigen Problems

„Film und Jugenderziehung“ bewegten sich die Ausführungen von Superintendent Georg Traar, Wien. Sie gipfelten in der Forderung nach stärkerer Ausbildung von Filmfachkundigen, verantwortlicher Mitarbeit an den Prüfstellen, Schärfung des Urteils der Jugend, Verbesserung der Abwehrgesetze und Förderung alles Echten und Wahren im Film als einer vorgelebten Wirklichkeit der Gotteskindschaft.

In diese Problematik des gesamten Films fügte sich auch der einzige Dokumentarfilm innerhalb der sechs Erstaufführungen ein, das im Aufträge des Centro Cattolico Cine- matografico (Vatikan) hergestellte Filmwerk „Guerra alia Guerra" („Krieg dem Krieg“). Würdig und eindrucksvoller als im „Pastor Angelicus“ Bild und Wort des Papstes, aufwühlend die Dokumentaraufnahmen aus Fronten, Bombenkrieg und Konzentrationslagern, am ergreifendsten aber die Not der gequälten Kreatur in Gesichtern voll Schmerz und Grauen. In solchen Großaufnahmen drückt sich deutlicher als sonst die ethische und ästhetische Urfunkrion des Films aus, sein Ziel, sein Sinn; der „sichtbare Mensch“ (ein Wort von Bela Balacz). Daß es heute noch fast ausschließlich die leibliche und geistige Not des Menschen und nicht der Glanz des Lebens und sein Widerschein auf den Geschöpfen ist, was gerade der religiöse Film unserer Tage „groß" aufnimmt und wiedergibt, ist vielleicht das nachdenklichste, nachhaltigste Erlebnis dieses ernsten Wiener Filmfestivals. Es mußte daher auch notwendig nicht in Glanz und Gloria einer Broadway parade, sondern in einer Stunde im Dom ausklinjen, welcher das Wort des Predigers Dr. Diego G ö t z vom „Licht-Spiel" als der Sehnsucht der Kinder des Lichts nach

Gott, dem Licht, die besondere Weihe gab.

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Von den vorgeführten Kulturfilmen drückte der schwache und langatmige französische „K löster und Abteien der Provence" sehr auf die Stimmung zweier Abendaufführungen, besser hielt sich „Die Kathedralen von Frankreich“ am Nachmittag. Die drei österreichischen Kulturfilme machten ausgezeichnete Figur. Um so schmerzlicher wurde allgemein empfunden, daß der große österreichische abendfüllende Film „M a t- thäuspassion“ nicht fertiggestellt und Österreich Ln einer so starken internationalen Konkurrenz nur mit Kurzfilmen vertreten war.

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