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Im Norden nichts Nette
Ein unglücklicher deutscher Filmtitel hat aus Väinö Linnas „Kreuze in Karelien” „Der un- bekannte Soldat” gemacht; unglücklich, weil dieser französisch lokalisierte, kosmopolitisch verwischte Titel dem Film des Besondere, das spezifisch Filmische zu nehmen droht. Doch ist es, gottlob, in jeder Sekunde des Films selbst noch da: die eigentümliche psychologische und politische Position des finnischen Krieges (die nicht im ganzen, aber in mehreren Einzelheiten entfernte Aehnlichkeiten mit der österreichischen hat), das Besondere (im Bild immer wieder erschütternde) und Unheimliche des „Waldkrieges”, das wieder da und dort dem norwegischen Kampf und dem Kesselkrieg in Kurland ähnelt, und der ausgeprägte naturalistische Filmstil, der in seiner naturbelassenen Robustheit und Aufrichtigkeit kaum eine Parallele im europäischen Kräftespiel hat. Diese ungetrübte, ungemischte Flüssigkeit wird auch noch durch den Filter einer zwar im ganzen schonungsvollen, doch aber da und dort ins Mark geratenden Wiener Kürzung des Originals und einer’heftig bramarbasierenden deutschen Sprach- fassung klar. Szenen, wie die drei Strafestehenden im Tiefangriff oder der feierliche Saufaus in der Waldstellung, sind von spukhafter Dämonie und durchaus einmalig im Kriegsfilm. Anderes wieder in der Dramaturgie ist sauber Remarque abgeguckt. Der Geist hingegen ist kein müder Pazifismus, eher ein männlich harter, unpathetisch heroischer Skeptizismus, stellenweise auch von unkaschierter Frömmigkeit, die allen Sinn nicht auf der Erde sucht. Der Festspielpreis Berlin 1956 des „Internationalen Katholischen Filmbüros” ist damit keinem Unwürdigen zugefallen.
Ein fesselnder Stoff, die Rache des Mannes an einem Arzt, der den Tod seiner Frau mitverschuldet hat, ist in „Auge um Auge”,. besonders im letzten Drittel, um eine deutliche Nuance zu hysterisch geraten. Zu brutal für „Jugendfreiheit” geriet der amerikanische Film um einen Buben und sein Stierkalb „Roter Staub”.
Ist das Thema des erpresserischen Skandalmagazins ein Komödienstoff? Der amerikanische Film „C h a r- mant und süß, aber ein Biest” sagt „ja” darauf. Er geriet brillant, aber die Frage bleibt trotzdem offen.
An die so seltenen klassischen Zwischenspiele leisen deutschen Humors knüpft der reizende neue Rühmann-Film „Vater sein dagegen sehr” an. Endlich einmal zwei natürliche Filmkinder, und nicht dressierte Affen!
Zur selben Stunde, da Tausende den „Jazztrompeter” Harry James in natura im Wiener Prater feierten, wurde der bezaubernde ältere Revuefilm „Zwei Mädchen und ein Matrose” im Reprisenkino zum Fest: aller jener, die hartnäckig meinen, daß wir im gleichen Rang und in der gleichen Gattung früher einmal Filme hatten, die heute nicht mehr erreicht werden.
Film schau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 42, vom 19. Oktober 1957: II (Für alle zulässig): „Lieber Tal und Wolken” — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Die erste Kugel trifft”, „Junger Mann, der alles kann”, „Der Rebell von Arizona”, „Vater sein dagegen sehr” — IV (Für Erwachsene): „Charmant und süß, aber ein Biest”, „Esther Costello”, „Rivalen ohne Gnade” — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Die Millionen der Yvette” — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Auge um Auge”, „Der Junggeselle”.
Die Internationale Festwoche des religiösen Films in Wien und die Katholische Filmkommission für Oesterreich begehen demnächst die Zehnjahrfeier — Grund genug, um die kommende V. „religiöse Biennale” vom 8. bis 14. November 1957 besonders festlich zu begehen. Fünf abendfüllende Filmprogramme stehen bisher fest: Frankreichs „Aufstand” (nach Kazantzakis „Griechischer -Fassion”) und „Lourdes und seine Wunder”, Schwedens „Barrabas” sowie Amerikas „Alle Sehnsucht dieser Welt” und „Albert Schweitzer” stellen das Hauptgerüst; im Beiprogramm gibt es neben Kulturfilmen aus Deutschland, Kanada und der Schweiz eine österreichische Uraufführung des neuesten Farbfilms von Mariazell der Stephanusproduktion. Drei Nachmittagsvorträge (Dr. Ludwig Gesek: Der Film im Umbruch; Charles Ford, Paris: Der Stuhl Petri und der Film; Dr. Roman Herle: Das Vaterunser des Films — Zur Geschichte und Problematik des religiösen Films), ein Festgottesdienst mit Filmpredigt, die Zehnjahrfeier der Katholischen Filmkommission für Oesterreich im Künstlerhaus, ein Empfang der Filmschaffenden im Erzbischöflichen Palais und eine Tagung der Diözesanfilmreferenten sowie Atelierführungen runden das reiche Programm. Die Vorführungen finden erstmals im Apollo statt. Tägliche Vorstellungen: %4, 6 und %9 Uhr. Kartenvorver- kauf ab Freitag, 25. Oktober, im Kiosk auf dem Stephansplatz, täglich, von 8 bis 18 Uhr, ab 1. November auch im Apollo, Vorverkaufskasse.
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