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Pariser Buddenbrooks

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Die heimliche Liebe, die der Dichter der „Buddenbrooks“ auch seinen schrulligsten Figuren gegenüber hegte, ist in dem Pariser Film „Die großen Familien“ in bitteren Sarkasmus verwandelt, der auch vor religiösen Dingen nicht halt macht. Sein Regisseur, Denys de la Patelliere (Regieassistent und Mitautor bei dem großen religiösen Film „Der Abtrünnige“), schreibt auch hier ein harte, böse Handschrift, hinter der man, wie bei Fellini, eine sehr verdeckte Moral vermuten darf. Großes Spiel: Jean Gabin, nach Arbeitern, Vagabunden und Ganoven einmal ein ordenübersäter Wirtschaftsmann, Pierre Brasseur und Bernard Blier.

„Sonntags ... nie“ nennt der seit 1951 in Europa wirkende amerikanische Regisseur, Autor' und Darsteller Jules Dassin reichlich frivol seine noch frivolere Geschichte von der Hafendirne Ilya vom Piräus. Ein junger Amerikaner, das Land der Griechen mit der — hm — Seele suchend, scheitert bei seinem Missionsversuch und wird selber zum „wirklichen Leben“ „bekehrt“ ... Dassin, seit je auf allen Klavieren spielend, von „Rififi“ bis zur „Griechischen Passion“, beherrscht auch den Sexual- und Kulturzynismus dieser musikalischen Komödie virtuos. Er läßt vor allem seine Löwin aus dem Käfig: Mehna Mercouri, und wahrhaftig, da fegt ein wildes, schönes Tier vom Stamm Anna Magnanis über die Szene, ein komödiantisches Vollblut, das nur in den Mitteln noch wählerischer werden müßte.

Es war klar, daß der Halbseide-Prachtausgabe der „Dolce vita“ bald ähnliches im Taschenbuchformat folgen werde. „Wir von der Straße“ (La Notte Brava) gehört dazu. Was man da auf einer wilden nächtlichen Jagd von Strolchen jeglichen Geschlechtes und Herkommens zwischen Palazzo und Via mala zu sehen und in ungeschlachtem deutschen Nachsprechen SraW hören bekommt, ist ekelhaft. Es ist, als ob sich sjtine. allzu fett fressende Menschheit selber ins Gesicht“ spuckte!

Filme wie der englische „Brennendes Indien“ erfüllen eine Idealforderung des Films: aufzuregen, dem Auge alles zu geben und den Verstand nicht zu beleidigen. In aller Kürze gibt es hier sogar ein Kolloquium über Kolonialpolitik und Soldatentum. Regie führt J. Lee Thompson, es spielen glänzend Kenneth More, Lauren Bacall, Herbert Lom.

Eine deutsch-französische Gemeinschaftsarbeit unter der Leitung Henry Verneuils hatte im Drehbuch zu „Ich und die Kuh“, der Geschichte von einem französischen Kriegsgefangenen in Deutschland, der mit einer Kuh „in der Hand durchs ganze Land“ kommt, Gold in der Hand. Der Film wurde leider nur ein hübsches Stück aus Silber. Irgend etwas fehlt am letzten Komödienschliff, trotz Fernandel und einer Reihe guter Chargen.

In der Verfilmung von Curt Goetz' erfolgreichstem, 40 Jahre altem Stück „I n g e b o r g“ fehlt nicht etwas, sondern alles. Das Ding ist freilich ein Nichts an Stoff, ein geistreicher Pallaver im rechtwinkeligen Ehedreieck. Aus so taubem Gestein Funken zu schlagen, ist nun nicht jedermanns Sache. Goetz hatte es, Liebeneiner hat es nicht, nein, wirklich nicht. Er traf nur das Plumpe, Frivole, Zynische und Meß im übrigen die Titelheldin Ingrid Ernest unerotisch-deutsch, blond und langbeinig durch die Szene stelzen. Sie hat es auch nicht, wahrhaftig nicht.

Noch einer wollte „es nachmachen“: der südamerikanische Film „Der Würger geht durch die Stadt“ dem seinerzeitigen deutschen Fritz-Lang-Film „M“, zum Teil auch dem Carol-Reed-Film „Der dritte Mann“. Wenn zwei dasselbe tun..., machten die einen einen Klassiker des psychologischen Kriminalthrillers und der letztere einen wüsten argentinischen Schinken mit unangenehmem Odeur. Er hat es auch nicht.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich); III (Für Erwachsene und reifere lugend, etwa ab 16): „Aufstand der Tscherkessen“, „Land ohne Gesetz“, „Hängt ihn“, „Ich und die Kuh“, „Brennendes Indien“. — IV (Für Erwachsene): „Der blinde Rächer“, „Die großen Familien“ *. — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Ingeborg“, „Killer McCoy“. - IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Der Würger geht durch die Stadt“. — V (Abzuraten): „Die Skandalinsel“, „Sonntags... nie“. * = sehenswerte Filme.

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