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Ritterliche Begegnung

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Zwischen Filmproduktion, Verleih und Kinobesitz einerseits und der Presse, besonders der Filmkritik, anderseits, herrscht, seit es kritische Filmpublizistik gibt (und das ist kaum mehr als dreißig Jahre), eine echte, fruchtbare Gegnerschaft, die in der Natur der Sache liegt, leider aber auch (und dieser besonders im Oesterreich der Nachkriegszeit von hüben und drüben liebevoll gehegte und gepflegte Uebel-stand müßte reparabel sein) ein ewiger Kleinkrieg, ein unfruchtbares Gestichel und Geplänkel, an dem im Grunde niemand so rfcht Freude hat.

Es war daher ein Königsgedanke des neu gegründeten Klubs der Film Journalisten, die Gegner einmal in den Turnierhof (das schmucke neue „Filmhaus“ in Wien-Siebensterngasse) zu blasen und unter korrekter Kampfleitung aufeinanderprallen zu lassen. Dem überlegen amtierenden Unparteiischen (Dr. Kennedy) stellten sich: Dr. Dürer von der Paula-Wessely-Produktion, ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle; Direktor Engel für den Filmverleih, ein kühl-verständiger Sachwalter vorwiegend geschäftlicher Interessen, und Kommerzialrat Hermann, der kluge, temperamentvolle Anwalt des zur Zeit besonders sorgenbeladenen Berufsstandes der österreichischen Kinobesitzer. Auf der anderen Seite: ein beachtenswertes Aufgebot von Wiener Publizisten, vorwiegend des Mittel-Alters (die Alten sind verdorben, gestorben, die Jüngeren noch nicht sehr interessiert an solchen Gewissenserforschungen), reichend vom Kulturblatt bis zur Volkes-Stimme.

Klar standen die Thesen, die Forderungen von drüben: Mehr Raum in der Zeitung für den Film (mindestens so viel wie für den Sport), mehr Sachverständnis und Disziplin der Kritiker, mehr Liebe und Wohlwollen für den schwer ringenden österreichischen Film. Aufrichtig, bisweilen mit schonungsloser Selbstkritik, klang die Entgegnung: Belassen wir die saubere Trennung von Kritik und Werbung, halten wir Verstand und Maß in der Polemik, lernen und arbeiten wir: an uns, mit den Künstlern, für die Kunst. Einmütig bejaht wurde hüben und drüben das Recht, ja die Pflicht zur Kritik und ihren schöpferischen und erzieherischen Aufgaben; einmütig wurden verurteilt: Schlamperei, Sachunkenntnis, Wichtigtuerei, politische Einseitigkeit und Gehässigkeit.

Sic. Es war ein ritterlicher Kampf. Vom Schauplatz wurden keine Toten und keine Verwundeten getragen, und es gab nur einen Sieger: den Film, der von solchen Annäherungen, von Aussprachen solcher Sachlichkeit und solchen Niveaus wohl seinen Nutzen haben mag. Der erste, vorläufig äußere Erfolg drückt sich in einem freundlichen Kommentar des Zentralorgans der österreichischen Filmwirtschaft, der „Oesterreichischen Film- und Kinozeitung“, aus, das den Abend einen „vollen Erfolg“ nennt und schreibt: „Das wichtigste Ergebnis der interessanten Debatte. . . war das Vertrautwerden mit den Sorgen des anderen — hie Filmwirtschaft, hie Kritiker — und das beiderseitige Versprechen, zu versuchen, einander näherzukommen.“

In dieser Woche greift der deutsche Film in „Tagebuch einer Verliebten“ nach einer Palme, die seiner Art und Weise nicht eben frommt. Wollte man Curt Goetz kopieren? Dazu enthielt gleich die Vorlage, Dinah Nelkens Roman „Ich an mich“ zu wenig Karat, zu viel Katzengold. Zugegeben, es gelang Josef v. Baky da und dort, bestimmte Stile der großen Filmliteratur verblüffend nachzuahmen und den tierischen Ernst des deutschen Humors mit ironischen Lichtern aufzulockern. Die beiden Hauptdarsteller, Maria Schell und O. W. Fischer, scheinen ihm allerdings dabei durchgegangen zu sein; sie überspielen, nicht, wie es gut gewesen wäre, unterspielen die entscheidenden Szenen — nur Margarete Haagen in der Rolle der komischen Omama des jungen Ehepaares trifft schlafwandlerisch sicher den richtigen Ton. Die Moral der Geschieht': Betrügst du mich, betrüg ich dich, bleibt am besten unerörtert. Bedenklicher erscheint allmählich das Rollenfach O. W. Fischers, das sich langsam zu einer Schmackhaft-machung des heute leider schon genug verbreiteten Lufflperl-Typus auszuwachsen droht. Es ist schade, denn in dem Manne steckt mehr.

Eine Ueberraschung bedeutet die amerikanische neuerliche Verfilmung vom „Untergang der Titanic“. Man erwartete, nach so viel Vorging-, gern, von Hollywood entweder ein Uebertrumpfen mit großen Szenen oder eine berstende Ueberfiille von Episoden. In beidem trat das Gegenteil ein. Der Film ist sanft und nobel, und die berühmten „Schicksale“ der Todgeweihten sind fast auf ein enges Familienquadrat zurückgezogen, das zudem nicht einmal sonderlich bezeichnend ist. Die einzige Episode mit Ansätzen zu Kontur ist ein Priester, der wegen — Trunksucht „in Rom suspendiert“ wurde! Clifton Webb und Barbara Stanwyck sind profilierte Darsteller, der (allein schuldige?) Schiffskapitän dagegen ein Träumer und Schlappschwanz, der wie der selige Wallenstein fortwährend in die Sterne schaut. So entspricht der Film im ganzen nicht den hohen Erwartungen, die man an Vorwurf und Herstellungsort knüpfen durfte. Roman H e r 1 e •

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 46/111 vom 2. Dezember 1953: I (Zu empfehlen für alle): „Eine Handvoll Reis“. — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Sturm über Tibet“. — IV (Füf Erwachsene): „Der Untergang der Titanic“, „Damenwahl“, Rivale und Verräter“. — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Tagebuch einer Verliebten“, „Die Nacht mit der Witwe“, „Der galante Abenteurer“, „Bis zur letzten Stunde“.

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