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Alle Sehnsucht dieser Welt

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Das ziffernmäßig imposante, aber nicht sehr gehaltvolle Osterprerhierenprogramm der Wiener Kinos überstrahlte eine kleine Kostbarkeit von edlem, mattem Glanz: „Alle Sehnsucht dieser Welt“, ein amerikanischer Film, der trotz seiner vorwiegend idyllischen Züge irgendwie an den Neoverismus des Sica-Films „Das Dach“ erinnert. Hier wie dort geht es um eine junge Ehe (hier mehr ums Kind als ums Dach), hier wie dort empfängt der Film seine Strahl? kraft weniger aus explosiven Begebenheiten als aus jenen unwägbaren Details, die das Leben reich und schön machen können. Vielleicht überfordert dieser Film sogar die Fassungskraft der Publikumsmasse durch seine Doppelbödigkeit, die man erspüren muß. Der Papa Rocco, der da mit italienischem Furioso ins Haus einbricht, ist mehr als ein Elefant im Porzellanladen, denn er zerschlägt nur Brüchiges, Ausschüssiges; und die Termiteninvasion im Hause Röcco ist ein Gleichnis wie Gerhart Hauptmanns Rattenschurfi. hier stimmt etwas nicht, hier knistert's im Gebälk. Aber es kommt alles in Ordnung. Nicht zuletzt wird aus einem Zusammensein eine richtige Ehe, ja ein Sakrament! Und das ist ungeheuer selten im Film und hat die letzte Festwoche des religiösen Films zurecht bewogen, den Film ins Festprogramm aufzunehmen. Möge er nun auch im Alltag Wurzel schla- . gen.

Ein acht Jahre alter französischer Dokumentar-spielfilm Nicole Vedres' (einer Art Madame Curie des Films), „Das Leben beginnt mörgen“. bringt unterschiedliche, zum Teil aber einzigartige UegfcutfglrF- mit 'IlKKtreW Schöpfe! -- irP AinsVr Geg'ertVä?f “-ühd- Zuiürfft'; Ldie rünreädsTe- “A-rffer Gide und Picasso, die profilierteste mit Sartres spitzen Formeln über die Mithaftung des einzelnen am Schicksal aller, die kindischeste mit dem Ehepaar Curie, die umstrittenste mit des Biologen Jean Rostand gewagten Thesen von der Zeugung, Züchtung und Verlängerung des „Lebens“. Ueberhaupt sind einzelne Episoden, vor allem aber die Rahmenhandlung, von einer richtigen Wolke linkshumanistischen Fortschrittsaberglaubens vernebelt — alle Sehnsucht dieser Welt scheint ein rosaroter (mitunter auch dunklerer roter) Himmel auf Erden. Den anderen Himmel kennt dieser Film nicht; obwohl Abbe Pierre etwa mindestens soviel Liebe in die Düsternis d'er Miserables gebracht hat wie der verdienstvolle Corbusier.

Beinahe Großes (im kleinen) gelang den Deutschen mit der Moritat „Das Wirtshaus im Spes-s a r t“. Eine Räuberpistole, frei nach Hauff, die an mehreren Stellen über sich selber hinauswächst; in Kurt Hoffmanns stark landschaftsbestimmtem Regiestil und in einer nach Maß verpaßten, eng anliegen-' den Hosenrolle Lieselotte Pulvers, zweifellos der besten Leistung in ihrer steilen Laufbahn.

Deutsch mit einem Schuß gallisch: die Gaunerkomödie „Arsene Lupin — der Millionen-d i e b“, wieder mit der Pulver, mit dem großartigen Robert Lamoureu in der Titelrolle und einer bissigen Wilhelm-II.-Karikatur O. E. Hasses. Oesterreichisch, nett erdacht und flott gespielt: „Man ist nur zweimal jung.“ 4

Dankbar ist man für die gleichsam liturgische Ausschmückung des Osterprogramms durch die Wiederaufführung der „M atthäuspassion“ in Sonderaufführungen und das „Lied von Bernadette“ im Normalprogramm (Metro). Es ist gleichsam die Buße für ein Dutzend wilder Titel, die das Nachaufführungsprogramm zu Ostern zieren.

F i I m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 14 vom 5. April 1958: III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Dakota“, „Haie greifen an“, „In 80 Tagen um die Welt“, „Picknick im Pyjama“, „Die Rose von Tokio“, „Schön ist die Welt“, „Das Wirtshaus im Spessart“, — IV (Für Erwachsene): „Arsene Lupin — der Millionendieb“, „Terror“. — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Das Leben beginnt morgen“. — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit“.

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