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An der letzten Entscheidung vorbei

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Es gibt eine seelische Abhärtung, die Segen und Fluch zugleich ist. Anders müßten sich in diesen Tagen die Spalten unserer Zeitungen, trotz des weihnachtlichen Burgfriedens, weit, ganz weit zu ausführlicher kritischer Besprechung des Filmes „Die letzte Entscheidung“ öffnen. Titelzeilen, Leitaufsätze müßten aufschreien vor unmenschlicher Qual, vor letzter Mitentscheidung und Verantwortung. Denn es ist immerhin der erste (amerikanische) Film, der das Thema Hiroshima und dahinter die abgründige Frage nach Wesen und Herkunft, Recht und Unrecht des Atomkrieges nahe der Wurzel zu fassen bekommt. Aber dem ist nicht so. Wir sind abgestumpft. Wenn mich nicht alles täuscht, waren die Kritiken von „Hofrat Geiger“ bis „Feldherrnhügel“ eingehender ... Und daran ist nicht nur die verfluchte Raumökonomie der Kritik von Zunft schuld. Es ist da noch ein anderes. Der amerikanische Film, ungetrübter Spiegel eines zähen Lebensbehaup-tungs- und Entfaltungsdranges (Rene Fiilöp-Miller sah mit Recht in dem zu Unrecht in Bausch und Bogen verdammten „Happy-Ending“ den reinsten Ausdruck dieses Pionieroptimismus), pflegt aus seinem innersten Wesen heraus über die Abgründe des Lebens mit geschlossenen Augen glatt und elegant hinwegzuturnen. Er will dabei vielleicht gar nicht so richtig lügen, verniedlichen, glätten. Er sieht eben, er kann eben nicht anders. So rückt er auch hier die „letzte Entscheidung“ des Obersten Tibbet, der den Bombenflug auf Hiroshima vorbereitete und durchführte, von jener Ebene der ganz unmilitärischen letzten Verantwortung, vor die allein sie gehört, weg und läßt sie in der Brust des Befehlsträgers ausfechten. Das ergibt einen sauberen, klaren Pflichtkonflikt und einen sehr exakten, gekonnten Film. Aber nicht mehr. Notgedrungen spitzt sich dabei der Konflikt letztlich fast nur auf ein peinliches Mißverstehen mit Frau und Freund zu — nur von ganz, ganz weit her tönt einmal, zweimal der schauerliche Anruf an „Jedermann“: Mein Gott, mein Gott . . . Aber vielleicht war es von diesem ersten Film, vielleicht vom Film überhaupt, überfordert, zu erwarten, daß er die letzte Entscheidung dort und so aufsuche, wo wir Christen sie zu bestehen haben werden. Von eiskalter dokumentarischer Sachlichkeit ist ein anderer Film aus dem Krieg (man feiert im Film die Feste, wie sie der Verleih fällt): „Das war Romme I“. Ein chevalereskes deutsch-englisches Wochenschauwerk, das sich kühl wie eine Generalstabskarte aufrollt: von Tobruk bis El Alamein. Nur einmal reißt die graue Nebeldecke auf und eröffnet sekundenlang einen erschreckend weiten Blick auf ein Planen von alexanderhafter Grenzenlosigkeit: die geplante „Südzange“ zu den Oelfeldern, zum Kaukasus, die in Stalingrad so schrecklich abbrach.

Mit demonstrativer Geste hält Film-Rußland diesem kriegerischen Festprogramm die märchenoperhafte „Jagd nach dem Glück“ entgegen, die Geschichte von Sadko, der in der Ferne die Nähe zu sich selber entdeckt. Zauberhafte Farben.

Ein österreichischer Suppe-Film mit Heesters, „H ab ich nur deine Liebe ...“ greift fast nach der Palme von Willi Forsts „Operette“, unter der leider eine andere Operette „Auf der grünen Wiese“ nicht ungestraft wandelt. Leichte Kost: „Das gewisse Etwas“, „Abu Andar — Held von Damasku s“, „Franky wird Zivilist“, „Die Frau mit der anderen Mask e“. Unter dem Nullpunkt: „L i e b e s e r w a c h e n“ und „Z o r r o schwarze Peitsch e“. Einiges aus dem Weihnachtsprogramm, darunter „N a n g a Par-bat 1 9 5 3“, bleibt noch nachzutragen. Sieger blieb bisher „Peppino und Violetta“.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 48/111 vom 16. Dezember 1953: II (Für alle zulässig): „Jagd nach dem Glück“ — IV (Für Erwachsene): „Liebeserwachen“, „Gangster“, „Abu Andar — der Held von Damaskus“, „Zorros schwarze. Peitsche“-,,; „Der Legionär der Sahara“ — IVa, (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Die letzte Entscheidung“, „Starr vor Angst“.

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