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Der andere „Vincent“

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Dem Regisseur Maurice Cloche dankt die Filmgeschichte nicht nur den Film „Monsieur Vincent“ und damit den Aufbruch einer sehr bestimmten, epochemachenden Gattung des religiösen Films, sondern auch den Einbruch in die unerbittlich starre Technik der Produktionsfinanzierung. So wie er seinerzeit für „Monsieur Vincent“ von katholischen Organisationen im Subskriptionswege 17 Millionen Francs erbettelte, vermied er auch jetzt für den Film „Un M i s s i o n n a i r e“ („E in Mann für A f r i k a“) die gangbaren Wege der Finanzierung.

Wieder hat es drei Jahre gedauert, bis Cloche allen Widerständen zum Trotz den Film zustande brachte, den ihm ein entfernter Verwandter, der Missionär P. Paul Bernier auf Guinea (die deutsche Ausgabe seines Buches erscheint soeben im Herold-Verlag), ans Herz gelegt hatte.

„Ein Mann für Afrika“ ist ein legitimer Bruder des „Monsieur Vincent“: mutig, aufrichtig, die Augen nicht verschließend vor irdischem Schwachsein urfd Versagen. Alles stellt sich dem jungen Missionär lean Maurel entgegen: die höhere Diplomatie der Gouverneure und die Herzverfettung der akklimatisierten weißen Farmer, die selbstsüchtige Konservativität der Stammeshäuptlinge und Zauberer, die Zaghaftigkeit der schwarzen Katechumenen und der schwarzen Frauen, vor allem aber die Ungeduld und Unbedingtheit des eigenen Herzens. Gebrochen an Leib und Seele kehrt er nach Europa zurück, dort aber trifft ihn unter den Augen eines gütigen, erfahrenen Bischofs der Strahl. Er kehrt zurück: weicher, menschlicher und wohl wissend um die hundert „siegreichen Niederlagen“, die seiner noch warten.

Ein großer Film, wenn er es auch nirgends und niemals sein will; sehenswert die Farbaufnahmen, würdig die Darstellerleistungen, heiß der Atem, brennend der Geist des Films. Was für Wandlung des religiösen Films in einem Jahrzehnt!

Wir sehen „Mission“ nicht mehr im trügerischen Glanz von schöngefärbten Traktätchen und Bilder-chen, sondern tragen und ertragen sie heute schon in der täglichen Pein und zeitlosen Glorie härtester, schmerzlichster Bewährung.

Es bedeutet Zivilcourage in einem Ausmaß, das in unseren Zonen unvorstellbar ist, wenn ein amerikanischer Film, „Trial“ („Das K o m-p l.o 11“), gleichzeitig gegen Kommunismus, Kommunismus-Riecherei (McCartismüs) und Rassendiskriminierung aus allen'Rohren schießt. Seit der „Faust im Nacken“ hat ein Film nicht mehr solche aktuelle Spannung bis zur Zerreißprobe, solchen Mut zur Selbstkritik entwickelt, wie dieser. Diese freimütige Selbsterkenntnis, die immer der erste Schritt zur Besserung ist, sichert nicht nur dem amerikanischen Film, sondern auch der politischen Form der .amerikanischen Demokratie eingjt mächtigen Vorsprung auf der ganzen Erde. Szenen wie der Pröpägandazirkus einer kryptokommunistischen Partei oder das (nicht einmal direkt, sondern in der Vorstellung gebotene!) Verhör eines sauberen Rechtsanwaltes- vor dem „Untersuchungsausschuß“ sind bei jeder anderen Filmnation der Welt, England und Frankreich eingeschlossen, undenkbar. Arthur Kennedy in der Rolle eines „Trommlers“, Glenn Ford als mißbrauchter Anwalt und Juano Hermandez als überlegener schwarzer Richter sind Spitzenleistungen auch nach Hollywood-Maßstäben. Schade, daß ein juristisch krauser und dramaturgisch unvertretbarer Schluß dem Film viel Stoßkraft nimmt. Trotzdem ein verdienstvoller, hinreißender Film.

Alessandro Blasetti schickt den kostümierten „Altri Tempi“ die zeitnahen „Tempi n o s t r i“ („Menschen unter sich“) nach, fünf Episoden aus unserer Nachkriegszeit, in denen sich italienische und französische Filmtugenden (und vereinzelt auch Untugenden) herJich summieren, nein: miteinander multiplizieren. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf tragischer Sentimentalität, wogegen die stark erotisch (und zum Teil chaplinesk) gefärbten Burlesken etwas abfallen. Gespielt wird, daß es eine Freude ist: überlegen, hintergründig, und bisweilen mit allen Körperteilen.

Deutschland hat in dieser Woche ziffernmäßig viel zu bieten, im Range aber nichts Gleiches. „D e r erste Frühlingstag“ (mit Luise Ulrich und Paul Dahlke) ist für das duftige Aroma dieser bekannten Bühnenkoinödie zu robust geraten, „D a s Donkosakenlied“, trotz manchem Hörerts-und Sehenswerten, zu rührselig. In den unteren Regionen gewollter und ungewollter Holzhammergroteske bewegen sich „Meine Tante — deine Tante“ und „Liane — Mädchen aus dem Urwald“. Der erstere wollte „Rififi“ verulken, konnte aber nicht; der andere wollte nicht „Tarzan“ travestieren, sondern ernst genommen werden, wurde aber gerade dadurch komisch. Roman Herle

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich): Nr. 48 vom 8. Dezember 1956: I (Zu empfehlen für alle): „Ein Mann für Afrika“ — II (Für alle zulässig): „Der rote Ballon“, „Gold aus Gletschern“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „PKX antwortet nicht“, „Donkosakenlied“, „Der Mann, der zuviel wußte“, „Der gelbe Strom“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Menschen unter sich“, „Liane — das Mädchen aus dem Urwald“ — V (Abzuraten): „Nachts auf dem Montmartre“.

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