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Der Neo-Verismo ist nicht tot
Am Anfang des Films ist trostloses Grau: ein stillgelegtes sizilianisches Schwefelbergwerk, eine noch einmal hoffnungslos auftrotzende Belegschaft und eine Schar verzweifelter Frauen und Kinder. Am Ende aber liegt gleißende Sonne über den Schneefeldern der französisch-italienischen Alpengrenze; ein schlichtes, menschliches „Allons!“ des französischen Patrouillenleiters hat dem kläglichen Häufchen erschöpfter, betrogener, gehetzter sizili-anischer Flüchtlinge ein Restchen Hoffnung und ein großes Stück Glauben an die Menschen wiedergeschenkt. Dazwischen liegt ein trüber Reigen härtester Erlebnisse, an dessen Rand ein halbes Dutzend Männer, Frauen und Kinder verlorengehen: das Gaunerstück eines „Arbeitsvermittlers“, ein böses Zwischenspiel, das die Arbeitsuchenden im Urteil von Schicksalsgefährten zu Streikbrechern stempelt, Tod, Krankheit, Kampf, Entehrung. Ueber allem aber steht letzten Endes eine unbeirrte, harte Bewährung, ein schöner zielfreudiger Glaube ans Leben.
„II Cammino della Speranza“ (Der Weg der Hoffnung) ist ein packender, stilvoller italienischer Film. Die alten Tugenden des Neo-Verismo: die spröden Kreaturen der Umwelt der kleinen Leute, die weise Auswahl charakteristischer, höchst photogener Köpfe u. a. wiegen diesmal spielend die Reste aller Untugenden auf (beispielsweise ist es wohl mehr als neo-schmalzig, wenn ein sizilianisches Bauernmädel, durch eine minutenlange Bahnrazzia von ihrem Trupp getrennt, ausgerechnet in Rom nicht mehr auf den geraden, sondern auf den schiefen Weg findet). Auch die Kinderkrankheit der Raufszene auf Tod und Leben (hier: das nationale Messerduell) wähnte man im Jahre 10 des Neo-Verismo eigentlich schon begraben.
Trotzdem: ein gehaltvoller, im ganzen ethisch
sauberer, nicht von der üblichen Hoffnungslosigkeit und „Ita-est“-Moral des Neo-Verismo gezeichneter Film. Die Distanz, den Fortschritt zum „Paradigma“ des Neo-Verismo erhellt vielleicht am besten daraus, daß den Film nicht bloß Seufzer, Schreie und Schüsse erfüllen: das immer wiederkehrende Leitmotiv ist vielmehr ein eigentümlich rührendes, von einer sanftfröhlichen Melodik erfülltes sizilianisches Volkslied. Ich habe seine Worte nicht verstanden, aber ich glaube, ein deutscher Dichter hätte ungefähr so gesagt: Nur nicht klagen! Nicht verzagen! Leben! Wagen! hilft uns fort.
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Man ist fürs erste versucht, den amerikanischen Farbfilm „Robin Hood und seine lustigen Gesellen“ zum Eisen, zu den üblichen Eroll-Flynnereien zu legen; in der Tat gibt ein oberflächlicher erster Blick nur die Konvention der Story preis: das patriotische Räuberleben des jungen Robin Hood und seine monarchentreue Sozialrevolution gegen den ungetreuen Bruder und Thronhalter des Kreuzfahrers Richard Löwenherz. Bei näherem Zusehen freilich fangen hinter den naiven Flegeleien und Ritterlichkeiten Robin Hoods die Farben unverwelkter, bezaubernder Jugendlichkeit und Märchensüße zu leuchten an. Und da ist auch schon die Erklärung dafür: es ist eine Walt-Disney-Produktion. Seine Geschich-
ten und seine Prinzen anno 1953 summen ein altes, altes Lied: „ .. . und wenn sie noch nicht gestorben sind, so leben sie noch heute“.
Imponierend und ärgerlich zugleich ist der Freimut, mit dem die Amerikaner wieder einmal in „Achtung, M i 1 i t ä r p o 1 i z e i !“ sich selbst persiflieren. Lustig springen sie über ihren Schatten. Aber im Grunde ist das alles gar nicht so heiter: Militärpolizei, Kaserne, Sportkorruption, Managertum. Warum dann nicht gleich einen zum Brüllen komischen Kriegs- oder Besatzungsfilm? Bob Hope wäre eine herrlicher befreiter Oesterreicher.
Richtige Sommerflaute geistert auch noch durch zwei österreichisch-deutsche Lustspiele, die allerdings gleich im Titel Farbe bekennen: „I r e n e in Nöten“ und „H eute nacht passiert' s“. Roman H e r 1 e *
Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 29/30-111 vom 12. August 1953: III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Wolkenstürmer“, „Verrückter Mittwoch“, „Der singende Chauffeur“, „Zorro, der Held“, „Die leibhaftige Unschuld“, „Männer machen Mode“. — IV (Für Erwachsene): „Anna“, „Die Rache des Korsaren“, „Trommeln der Wildnis“, „Meuterei auf dem Piratenschiff“. — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „König der Raketenmänner“, „Wir tanzen auf dem Regenbogen“. — IVb (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „O. K. Nero“. — V (Abzuraten): „Skandal in Paris“.
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