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Verwandlungen

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Es ist eine griechische Sage, die Geschichte von den alten Eheleuten Phile- mon und Baukis, die die müden Wanderef Zeus und Hermes gastlich aufgenommen haben und zum Lohne eine Sintflut überleben, zu Tempelhütem werden, vor allem aber in der gleichen Stunde sterben dürfen und in eine Eiche und Linde verwandelt werden, in deren Wipfeln ihr abgeklärtes Liebesgeflüster wie der Abendwind rauscht. Wie viel hat sich seit Ovids „Verwandlungen“ gewandelt: Es spielt in Griechenland, 1944, was uns das weitgereiste Schauspiel und Hörspiel von Leopold Ahlsen, „Philemon und Baucis", jetzt auch der deutsche, in Österreich gedrehte Film „Keine Gnade für Liebe" (Am Galgen hängt die Liebe) aus bösen Zeiten erzählt: Wie die Alten Nikolaos und Marulja erst den Partisanen Petros, dann einen sterbenden deutschen Leutnant, rhemasi peithomenoi, dem heiligen Gastrecht gehorchend, verbergen. Auch ihr Lohn ist der Tod zur gleichen Stunde, aber nicht im Gesang des Abendwindes, sondern unter den Kugeln ihrer Landsleute; wenn ihr harter Richter am Schluß die Lampe an ihrem Tisch ausbläst, meint man, erlischt die Liebe auf der ganzen Welt, für die es im Krieg keine Gnade auf Erden gibt. Annie Rosar und Carl Wery spielen ihre Bühnenrollen, die zu Rollen ihres Lebens werden. Und kein Makel an den Episoden: Bert Forell, Ma- risa Mell und Sieghardt Rupp. Bild, Schnitt, Musik sind eindrucksvoll, im Dialog ist da und dort Milieufremdes und Papierrascheln zu hören. Daß der Film die Regiepremiere eines Wieners ist, berechtigt uns fast, ihn irgendwie als unseren zu reklamieren. Kennte man Edwin Zbonek nicht von Filmkritik und Theater- regiö het,-Wüßte man ‘sagärt, ‘r vir sdltfen uns seinen Namen merken. Denn es ist möglich, daß er am Kopf eines neuen Blattes unserer Filmchronik steht.

Mit einer trockenen Sachlichkeit, die einem bisweilen den Atem verschlägt, zeigt der japanische Film „Die Welt von morgen“ die Gefahren der Atomverseuchung von Tier und Mensch, nicht in lehrhaftem Vortrag, sondern im Dokument. Für diesen aufwühlenden Unterricht sind die Japaner zuständig, als Schüler sollte sich schlechtweg kein Lebender ausschließen. — Für „Die Hauptmannstochter“ nach Puschkin sind die Russen zuständig. Der Bauern- und Kosakenführer und Gegenzar Pogatschew ist (177374) nicht der erste und nicht der letzte Revolutionär in Rußland. Auch der Film ist kein „Panzerkreuzer“, aber ein stoßkräftiges, kampfkräftiges Torpedoboot. — „Ausgerechnet Charlie Brown“ ist ein englisches satirisches Lustspiel, das die höhere Politik und die Diplomatie zaust. Der Witz ist robust, trotzdem ist Spiritus darin. — Im deutschen Film grassiert seit kurzem eine „neue Grippewelle“: der verfilmte fllu- strierten-Roman. „Frau Irene Bes- s e r“, ein Nachkriegsehedrama, ist nicht der schlechteste. Trotzdem haften diesen Geschichten nationale Untugenden in Hülle und Fülle an. Wenn wir zudem an Luise-Ullrich-Rollen vor 25, ja noch vor 15 Jahren denken, ist uns nicht ganz wohl dabei. — Ein anderes Ehedrama mit Happy- End greift „Fremde, wenn wir uns begegnen“ auf. Die Amerikaner sind solcher Themen lange entwöhnt, was den wackelnden ethischen Positionen der ansonsten sehr anspruchsvoll verfilmten Geschichte irgendwie an der Nasenspitze anzukennen ist.

Der Verband der österreichischen Filmjournalisten hatte am Montag dieser Wochen Hochbetrieb mit interessanten Gästen: Francoise Truffaut, Paris, nahm für „Hegeljahre“ die Goldene Feder in Empfang, die Auszeichnung der Filmjournalisten für den besten Film des Jahres. Professor R. N. Jurienew, Filmkritiker und-Kunstlehrer in Moskau, sprach offen und freimütig über Ziele und Züge, Vorzüge und Mängel des heutigen Sowjetfilms und hielt stundenlang einem regelrechten Fragensturm der Kollegen aufrecht stand.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): IV (Für Erwachsene): „Keine Gnade für Liebe“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Theseus, Held von Hellas" — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Von der Terrasse", „Die Spur führt nach Caracus“.

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