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Aus seinem Leben

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Als ob sie ungehalten darüber wäre, daß wir ihre ersten Wellenschläge an unser Ufer reichlich trüb empfunden haben, schickt die Nouveau vague gleichsam zur Ehrenrettung jetzt ihr Paradestück, ihr Deklinationsschema zu uns: „F 1 e g e 1 j a h r e“ (Les quatre cents coups). Die „interessante Woche“ der österreichischen Filmjournalisten hat sie schon im heurigen Frühjahr kurz präsentiert; nunmehr gehen sieins Normalprogramm, beladen mit Preisen und Prädikaten (zuletzt in Österreich: „Besonders wertvoll“). Der Film und sein Schöpfer haben schon heute ihre Geschichte. Francois Truffaut, Jahrgang 1932, von dem unvergeßlichen Kritiker Bazin aus einem entgleisten jungen Leben gefischt und zum Filmkritiker und schließlich zum Regisseur gemacht (1956: Kurzfilm „Les mistons“), hat in „Flegeljahre“ seine trübe Jugend erzählt. Es ist die Geschichte eines Buben, der durch trostlose Verhältnisse im Elternhaus und Lieblosigkeit der Lehrer von harmlosen Streichen immer tiefer gleitet, aus einem „Beobachtungsheim“ ausbricht und--ja. der hochkünstlerische

Schluß bleibt wie manches in dem ungewöhnlichen Film offen. Ernst, Aufrichtigkeit und eine exzellente Bildersprache heben den Film aus einer endlosen Reihe unglücklicher Filme des gleichen Themas. Eine gewisse Einseitigkeit in der Kritik und Weltbetrachtung sowie die Grauschwarzmalerei eines hoffnungslosen Pessimismus scheinen der „neuen Welle“ in die Wiege gelegt worden zu sein. Sie werfen auch in diesen Film, in dem die neue Richtung ihre Flegeljahre hätte abstreifen können, ihre Schatten.

Neben den österreichischen Burgtheaterfilmen bemüht sich Dr. Paul Czinner in seiner Wahlheimat England, bedeutende Opern- und Ballettaufführungen filmisch zu konservieren. Seinen Salzburger „Rosen-kavaher“ haben wir noch nicht gesehen, wohl aber das „Bolschoi-Ballett“, dem jetzt „D a s Royal-Ballett“ folgt. Eine kleine Sensation bringt die Programmwahl: der 2. Akt aus „Schwanensee“ läßt Vergleiche mit dem russischen Ballett zu (die geradezu mathematische Exaktheit der Engländer reicht doch nicht ganz an die schöpferische Intuition der Russen heran), Hans Werner Henzes „Undine“ wieder macht mit dem sympathischen Werk eines gemäßigten Modernen bekannt. Zwölf Kameras haben die Bühne belauert, und das Ergebnis, ganz ungewöhnliche Details und Panoramas, ist berückend. Der Beifall, im Film selber zu hören, konzentriert sich auf die kluge Grazie Lady Margot Fonteyns und den im Programm nicht genannten „Meergott“ in „Undine“.

Mit erstaunlicher Liebe und Hingabe sind Sofia Loren und Anthony Quinn in dem amerikanischen Film „Die Lady und der Killer“ bei der Sache. Da überdies George Cukor Regie führt und mit ironischen Lichtern nicht geizt, gerät ein passables Indianerbüchel.

Etwas zu empfindlich scheint uns die deutsche Bundeswehr auf die nicht allzu boshafte Köpe-nickiade „Gauner in Uniform“ reagiert zu haben. Mit Kanonen auf Spatzen schießen ist Munitionsverschwendung und — ein grober taktischer Fehler. Das lernen schon die Rekruten.

Unausrottbar sind zwei Gattungen des Urkintopps: die kindische Historie, diesmal nicht von Hollywood, sondern von Europa verbrochen: „Die Schlacht von Marathon“ (mit bedeutsamen Richtigstellungen zu Cornelius Nepos!) und der sich tierisch ernst gebärdende und doch auch wieder zum Geschäft hinüberblinzelnde „Aufklärungsfilm“, diesmal aus Dänemark, mit dem unbeschreiblich originellen Titel: „Junge Liebe — große Gefahren“.

Die Reprise der Woche: Tennessee Williams' „G1 a s m e n a g e r i e“, ein großartiger Film, großartig synchronisiert.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Versunkene Welt“, „Gauner in Uniform“—IV (Für Erwachsene): „Flegeljahre“, „Die Dame und der Killer“, „Die Rückkehr der Fliege“, „Gino“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Verbrecher AG.“, „Der Zeuge schweigt“, „Das Geheimnis der roten Maske“ — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Der Mann ohne Körper“ — V (Abzuraten): „Wegen Verführung Minderjähriger“. — = empfehlenswert.

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