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Die Herzschwäche aller Dinge

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England verfilmte Graham Greene

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England verfilmte Graham Greene

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Graham Greenes Romaneruptionen, und hier wieder besonders „D as Herz aller Ding e", stellen eine unerhörte Herausforderung des religiösen katholischen Gewissens dar. Daraus erklärt sich, je nach Art und Weis’ des „Empfängers", der entweder heilsame oder gefährdende Schock, den sie im jeweiligen Leser auslösen. Der Film steht hier vor zwei schlechtweg unlösbaren Schwierigkeiten: in Schichten eindringen zu sollen, die nur in seelischen Schwingungen, nicht aber in Kollodium und Kampfer Zelluloid sichtbar werden können, und dann, dieses nur mit der ganzen spezifisch-katholischen Apparatur gewonnene Röntgenbild einem theologisch ungeschulten, uninteressierten oder heftig widerstrebenden weltlichen Publikum übersetzen zu müssen. Die Lösung kann im besten Fall ein vages Kompromiß sein: in „The fugitive" die Idealisierung, Entschmutzung des „Schnapspriesters" womit das ganze Mysterium der „Kraft", der „Herrlichkeit", der Gnade eine gefährliche, elegante Glätte erhielt, und jetzt, in dem englischen „Herz aller Dinge", die Weg- eskamotierung des Selbstmordes Major Scobies; damit aber lädt Scobie in dem Widerstreit zwischen der Liebe zu Luise und Helen nicht mehr die Verdammnis auf sich, „um niemandem mehr wehe zu tun”, sondern wird durch einen nüchternen Heldentod „in Ausübung seines Dienstes" von einem sauberkeitsliebenden Filmgott mit Seife und Bürste reingewaschen wie ein Grubenarbeiter oder ein Säugling, der sich beschmutzt hat. Und das passiert dem Engländer Greene in einem englischen Film! Wenn der Film wenigstens schlecht wäre… ! Aber das ist er eben nicht. Er hat Spannung, Atmosphäre, gute Besetzung nur Maria Schells liebenswerte, weinerliche Helen ist eine glatte Fehlbesetzung, nur vor dem Letzten, Entscheidenden, ohne das nun freilich Graham Greene nicht Graham Greene ist, streicht der Film die Segel und begnügt sich solcherart, ein packendes Kolonial- und Ehebruchsdrama und Gesellschaftsspiel zu sein, wo er eine Tragödie letzter Gewissensentscheidung: das Herz, nicht das Herzchen aller Dinge hätte sein sollen.

Im Grunde ist da der deutsche Kolonialfilm Ucickys „Ein Leben für Do" ehrlicher. Er streift von vornherein alle Problematik ab und legt ein zünftiges Gesellschaftsdrama mit Vater und Ziehtoohjgr, selbstverständlichen Ehebrüchleins und Scheidungen und was sonst noch zur modernen Ethik des Films gehört hin, daß es nur so kracht. Ucicky hat auswärts rasch gelernt, Filme zu drehen, an denen .„alles dran" ist. Mehr Profil hat Norbert Schultzes Musik. Aber, der eigentlich Gewinn des Films ist ein neues Gesicht: Paola Loew, Argentinierin, Thimig-Schülerin, Pianistin. Die kann etwas. Mehr noch: die ist wer. Vorläufig hat die Loew die Krallen gezeigt.

Wunderlicherweise unter der „Produktion Walt Disney" segelt der farbige Abenteuerfilm „Schwert und Rose". Eine Fairbankerott- Erklärung Disneys? Ach, wahrscheinlich nur eine Eskapade, eine Erholung zwischen Schneewittchen und Robbenküste. Eine Urlaubslaune, gar nicht übel übrigens.

Noch irgendwie ernst zu nehmen: „Tor zur Höll e", ein amerikanischer Film aus der Partisanenzeit nach dem Staatenkrieg, hart, brutal, mit einem psychologischen Wandlungspurzelbaum am Happy-End.

Nicht mehr ernst zu nehmen: „Karriere einer Nacht". Oder: Von der Akademieschülerin zur Nackttänzerin. Ein unmöglicher Film, der zudem stark dem letzten Modeschrei Diors zuwiderläuft.. . schon wegen des geringen Stoffverbrauchs … und auch so … ja, beinahe hätte ich vergessen: Es ist ein französischer Film. Der versteht immer was anderes unter dem Herz aller Dinge als Graham Greene.

Filmschau Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich Nr. 33 vom 26. August 1954: II Für alle zulässig: „Schwert und Rose" — III Für Erwachsene und reifere Jugend: „Der Vetter aus Dingsda" — IV a Für Erwachsene mit Vorbehalt: „Ein Leben für Do", „Im Tal des Verderbens" — IV b Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt: ..Das Herz aller Dinge", ..Das Tor zur Hölle" — VI Abzulehnen: „Karriere einer Nacht.“

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