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„Im Westen nichts Neues“

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Wenn wir heute, angesichts der Wiederaufführung des Remarque-Films „I m Westen nichts Neues“, von der jüngeren Generation gefragt werden, wieso delm der Film, dieser Film, vor 22 Jahren Anlaß zu einer so aufgeregten Abwehr (nicht allein seitens der Goebbels-Sturmgarde!) sein konnte, sind wir um die Antwort einigermaßen verlegen. Die Ein wände gegen einzelnes im Buche Remarques mögen heute noch bestehen. Aber daß der Film einstmals als Herabsetzung des Vaterlandes, als Schmähung des deutschen Charakters empfunden werden konnte, können wir heute nicht mehr verstehen. Bleibt also die Erklärung, daß es in Deutschland von da bis zu 1933 nur mehr zwei und in Österreich bis zu 1938 nur mehr sieben Jahre waren

Ausgakämpft aleo, historisches Dokument eines großen Irrtums? —x Wer mit wachen Augen und Ohren diesem Film folgt, wird auch das verneinen müssen. Die Kantoreks und Himmelstoß’ sind sadanglebig wie Kain, der auch weiterhin Abel erschlägt. Nur ihre Parolen verfeinern sich. Sie werden sich — nach Hiroshima — hüten, fürderhin den Heldentod süß zu nennen. Doch’ ist der Sprachschatz aller Nationen reichhaltig genug, um zeitgemäßen Ersatz zu schaffen.

Eine Reihe solcher moderner Sprachblüten spuken eben wieder herum. Sie schmecken verdammt nach Antike und sind, heute wie gestern und morgen, im Osten und Westen nichts Neups. Gegen sie zu kämpfen, ist heute wie ehedem zwar nicht süß, aber ehrenvoll, Dies mag das Bleibende sein — an Buch und Film „Im Westen nichts Neues“.

Die wiederaufgeführte Kopie präsentierte sich in der Bildtedinik leise veraltet (an vier Stellen glaubt der Kritiker unwesentliche Änderungen, vermutlich nur Schnitte, gegenüber den drei alten Versionen von 1930 31 feststellen zu können). Die Tonfassung ist neu und verrät besonders an einigen Stellen des Dialogs eine letztgüKige gedankliche Sublimierung (Maxwell Andereon, der das Sujet zu dem jüngsten Jeanne-d’Arc-Film mit Ingrid Bergman lieferte, gelang hier Vollkommenes). Die schlechten Bauten des Films, besonders der deutschen Kleinstadt, sind nicht besser geworden, in unvergänglicher Schönheit aber erblühen ‘die poetischen Formeln, die Remarque oder der Bilm für das zeitlös Menschliche gefunden haben: die Ermahnung der Mutter, die Rattenszene, Kats Tod und der filmisch ideale, Remarque noch übertreffende „Schmetterlingschluß". Der Eindruck ist stark. Wortlos verlassen die Zuschauer den Film, aufgestört und getröstet zugleich. Denn noch ist es Zeit. Süß ist der Frieden — und ehrenvoll, ihn zu bewahren.

Der russische Farbfilm „Das unvergeßliche Jahr 1919" führt in eine ernste Krise der bolschewistischen Revolution, da englische Kriegsschiffe vor Kronstadt einen ‘Aufstand der Weißen in Petersburg unterstützen sollten. Der Film, hat in Tschiaureli einen Regisseur, der besonders die Kampf- szenen mit ehrlichem revolutionärem Schwung erfüllt, und in M. Gelowani einen Stalin- Darsteller von Format. Den üblichen Vorzügen des russischen Films mischt sich leider auch wieder die übliche Verhöhnung religiöser Sitten und des orthodoxen Klerus bei.

Eine Gaunerkomödie — es 6oll ein Mädchen durch einen Heiratsschwindel um ein überseeisches Erbe gebracht werden — in eine Operette einzukleiden, ist an 6ich eine hübsche Idee. Dem westdeutschen Film „Der Fürst von Pappen heim“ fehlen dazu leider der musikalische Elan und ein schmissiges Buffopaar. Auch das „biblische Ballett“ am Schlüsse dst eine böse Entgleisung.

Ein, Vortrag de6 Attachés der indischen Gesandtschaft in Wien, Dr. Ramaswamy, in der Gesellschaft der Filmfreunde gab ein aufschlußreiches Bild von der indischen Filmproduktion, die heute mit 250 Spielfilmen im Jahr den zweiten Rang (nach den USA) in der Weltproduktion einnimmt. Der indische Film, 39 Jahre alt, verfügt über moderne Aufnahmestätten in Bombay, Madras und Kalkutta und beschäftigt 60.000 Menschen. Das in Produktion, Verleih und Kinobesitz investierte Kapital beträgt 18,7 Millionen Pfund. Der Kinopark umfaßt 3000

stehende Betriebe, doch beträgt die Dichte nur 1 auf 100.000 Einwohner (zum Vergleich: Österreich 6500, Westdeutschland 13.000). Von drei vorgeführten englisch besprochenen Kulturfilmen zeigten „Die sieben Pagoden" mehr als tausend Jahre alte südindische Sakralbaukunst, „Heimat für Heimatlose“ und „Neues Leben“ die Schwierigkeiten, die Indien nach 1947 aus der Rückwanderung von sieben Millionen Indern aus West- und Ostpakistan erwuchsen. Die Filme präsentierten 6ich als sauber, hart photographiert, in der Technik konventionell, aber auf achtbarer Höhe. Verläßliche Rückschlüsse auf das Niveau des indischen Spielfilms waren daraus nicht zu ziehen.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich, Nr. 46 11 vom 12. November 1952): III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Im Westen nichts Neues“, „Heimatglocken", „Die Flamme von Arabien“; IV (für Erwachsene): „Zwischen Mitternacht und Morgen", „Die schwarze Maske"; IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Der Fürst von Pappenheim“, „Der Held von Burma’, „Das unvergeßliche Jahr 1919“; IVb (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Begegnung in Tunis“.

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