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„Tagebuch eines Landpfarrers“

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Inmitten der sommerlichen Tiefsaison des Films wagt es ein Wiener Verleih, den großen Bernanos-Film, „Tagebuch eines Landpfarrer s“, nach der einmaligen Vorführung auf der religiösen Filmfestwoche, nunmehr geistgetreu deutsch synchronisiert, in das Wiener Programm (ab 7. August, Künstlerhaus) aufzunehmen. Das bedeutsame Wagnis verdient das besondere Verständnis seitens der katholischen Filmbesucher.

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Inmitten der sommerlichen Tiefsaison des Films wagt es ein Wiener Verleih, den großen Bernanos-Film, „Tagebuch eines Landpfarrer s“, nach der einmaligen Vorführung auf der religiösen Filmfestwoche, nunmehr geistgetreu deutsch synchronisiert, in das Wiener Programm (ab 7. August, Künstlerhaus) aufzunehmen. Das bedeutsame Wagnis verdient das besondere Verständnis seitens der katholischen Filmbesucher.

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Dies kt der andere, der frühere, der stillere, der ergreifendere Graham Greene: nicht der würdelose der „Kraft und Herrlichkeit“, sondern der unzulängliche Priester als Gefäß der Gnade. Tagebuch eines kleinen Landpfarrers im Artois, gegen den sich alles stellt: das Erbe eines generationenlang geschwächten Arme-Leut-Körpers, der sich in Kampf und Krampf zu Tode bäumt, ein abgestumpftes Dorfvolk, eine durch und durch versumpfte „christliche“ Adelsfamilie, deren verbitterte Matrone er an der Schwelle des Todes zum Frieden Gottes führt (woraus ihm das größte Aergernis erwächst), priesterliche Kollegen und Vorgesetzte... „Was macht das schon aus“, ist der letzte Atemzug dieses großen kleinen Pfarrers, „alles ist Gnade“.

Es schien schlechterdings unmöglich, dieses reife, reifste Werk Bernanos', Romanze und Theologie zugleich, mit den heutigen Mitteln des Films wiederzugeben. Vor Jahren wagte es Robert Bresson mit dem jungen Claude Laydu als Dar-

steller und Robert Juillard an der Kamera. Das atemraubende Wagnis gelang. Zwar: die „Premiere“ (im Original, ohne deutsche Titel) auf einer Wiener „religiösen Biennale“ fand nicht ganz zum Publikum. Heute, da eine gute, worttreue Remagener deutsche Sprachfassung vorliegt, wissen wir, warum: Das allen verständliche Wort fehlte damals, das gewaltige, gewichtige Wort Bernanos', das gerade hier in und 2wischen den Zeilen blitzt und donnert, urteilt und richtet, liebt und versöhnt. Gewiß, nicht alles konnte in den Film eingehen: die großen Auseinandersetzungen des kleinen Pfarrers mit dem robusten Freund und Pfarrherrn von Tercy, mit der verschlossenen Gräfin und der gehetzten Komtesse, mit dem Fremdenlegionär (über den „letzten christlichen Soldaten“ Jeanne d'Arc!) sind nur bruchstückweise da. Aber noch in diesen Fragmenten wetterleuchtet die vielleicht grandioseste Auseinandersetzung eines Laien mit dem Weltpriesterberuf in diesem Jahrhundert...

Es ist zu rühmen, daß der Film trotzdem kein Film großer Rededuelle, sondern ein ehr, sehr stiller Film geworden ist, der seinen letzten Glanz aus den Zwischentönen des Bildes (große französische Kameraführung!) und des Wortes zieht. Einmal, beim äußersten Kampf des Priesters mit der verlorenen Seele der jungen Chantal im Beichtstuhl, schwebt der Kopf des Mädchens, halbhell, allein im Finstern: das Böse, das Dämonische schlechthin, dessen letzten Sinn im Werk der Schöpfung Bernanos o großartig gedeutet hat.

Claude Laydu in der Titelrolle ist ein rührender, ergreifender junger Landpfarrer, mit dem schmalen Seminaristengesicht ein überzeugender Interpret seiner Passion. Mag die unerhörte Disziplin und Verhaltenheit seines Spieles, gemessen am Bernanosschen L'rbild, um eine Nuance zu traurig und passiv sein, mag er in dieser oder jener Szene hinter dem Feueratem des Dichters zurückbleiben: Was macht das schon aus? Es ist ein schöner, tiefer, erschütternder Film. Alles ist Gnade. Ihr Gefäß kann ein kränklicher, unerfahrener Landpfarrer, ein junger, ehrgeiziger Darsteller — und ein unscheinbarer Zelluloidstreifen sein.

Mut gehörte dazu, Silvana Mangano, den Star des großartigen Reißers „Bitterer Reis“, in ihrem neuen Film „A n n a“ in ein neues, weniger dankbares Rollenfach zu steuern. Doppelter Mut gehörte dazu, die Fabel, den Weg einer Frau aus dunkler Vergangenheit, an dem rettenden Port angenehmer bürgerlicher Versorgung vorbei, in die harte Pflicht geistlichen Krankendienstes münden zu lassen. Es hätte allerdings dreifachen Mutes bedurft, dabei die üblichen Mätzchen schwüler Milieuszenen zu opfern. Und diesen letzten höchsten Mut haben die Schöpfer des Films nicht gehabt. So bleibt die riskante Verschneidung zweier weit auseinander klaffender Welten irgendwie peinlich, ja verletzend; die Brücke Von der einen zur anderen, die lockende bürgerliche Sicherung ist in dem Film zu schmal, zu engbrüstig, um die Wandlung der Titelheldin von der Hörigen eines Sexualstrolches zur Höchstberufenen verständlich, ja auch nur tragbar zu machen. Silvana Mangano, sichtlich noch mehr im alten wie im neuen Rollenfach beheimatet, gelingt trotzdem auch als geistlicher Schwester eine achtbare, saubere, nur im Mienenspiel sehr statische Leistung; ihre beiden Schwestern, in Nebenrollen, verraten nichts von dem musischen Erbe der Familie.

Die Königsidee einer Parodie des amerikanischen Monumentalfilms iit in dem italienischen Film „O. K. N e r o“ recht harmlos realisiert. Der Mark-

Twainsche Grundeinfall von den Yankees am alten Hof ist trotz hübscher Einfälle im einzelnen stark verwassert. Der Film ist in seine eigene Kindlichkeit zu sehr verliebt, als daß er die fremde überlegen kritisieren könnte. Schließlich müßte der Witz auch wissen, wo er halt au machen hat: bei der neroni-schen Christenverfolgung hätte dies auf jeden Fall geschehen mössen. — Gino Cervi, der „Peppone“

des „Don Camillo“, ist ein fast zu seriöser Nero, Walter Chiari und Carlo Campanini sind zwei unterhaltsame Clowns.

„Der K e g e 1 k ö n i g“, eine mäßig heitere Schweizer Dorfidylle, geht noch an, während der argentinische Wildwester „Frauen für Fort d e 1 T o r o“ schon stark der erschöpften Hunds-tagegeistigkeit zugehört.

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