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Gegen den Strom

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Zglinickis große deutsche Filmgeschichte („Der Weg des Films“) hat uns in einem der letzten Bilder des imposanten Illustrationsanteiles ein seltenes Dokument bewahrt; Außenminister Stresemann spricht (aüfgenommen auf Triergon) auf der „Kipho“ Berlin 1925 (der Votläuferin der Kölner „photokina“). 32 Jahre später erscheint dieser Mann und sein Werk in einem deutschen Spielfilm. Alfred Brauns „S treseman n“ gehört zu jenen heute fast verschollenen deutschen Tragödien des einen und einzigen, die bei aller weltmännischen Kühle doch irgendwie ergreifen. Der Film ist mutig, einsam und verlassen wie sein „Held". Er schließt skeptisch mit Briands bitterem .Wort am Grabe Stresemanns: „Allein — ohne Partner —t wie wenig kann man da hoch tuni“ Wägen wir heute die Chancen, Deutschland nur mit Einsicht und Rücksicht nach Europa zu führen, so sind wir fast versucht, diese Skepsis zu teilen. Mit um so größerer Achtung neigen wir uns vor solchen Filmen. Es ist'so selten geworden, daß der Film gegen den Strom schwimmt.

Mit dem Strom reißerischer Aktualität, das „Farbigendrama“ unserer Tage in einen sentimental-brutalen Dunst einnebelnd, schwimmt der amerikanische Film vom Kampf .der Mau-Mau: „Flammen über Afrika". Mit der Apothekerwaage werden die Positionen ausgetüftelt, alles wird angetippt, aber nichts dringt unter die Hautoberfläche. Ein Urfluch dbs Films, aus Not und Tod der Zeit das Interessante, das Effektvolle heratiszupressen, feiert blutige Orgien. Von demselben Filmteam ist demnächst wohl ein fixer ,,L' tle-Rock"-Film zu erwarten.

Mehr Glück haben die Amerikaner damit, hinter leichten, lockeren Komödien größere Hintergründe anzudeuten. „Eine Frau, die alles kann" läßt zwei Menschen sich heiter, nicht komisch über das todernste Problem des Elektronengehirns und damit der Mechanisierung des Lebens erheben. Da diese zwei zudem Spencer Tracy und Katherine Hepbum sind, ist der humane Sieg evident; wenigstens 90 Minuten lang.

Man macht sich das in unseren Zonen leichter. Um das Problem der Ehekrise beispielsweise tänzeln und schwänzeln recht amüsant „Die Freundin meines Mannes“, etwas besinnlicher „Vate r, unser bestes Stück“. Dagegen hat eine Urparole der Traumfabrik, „Einmal eine groß Dame sein", in der neuen Fassung trotz Greth Weiser mit der seinerzeitigen Ufa-Operette, 1934, und ihref-Bombenbesetzung nur noch den Titel gemein. Walter Reischs Idee ist von drei Leuten „bearbeitet" worden. Seine Ideen haben einmal ohne Bearbeitung gezündet. Heute reichen sie, mit drei multipliziert, nicht einmal mehr zu Maskeraden oder Episoden. Roman Her1e

Fi1mschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 39 vom 28. September 1957: Ill (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Eine Frau, die alles kennt“, „Jaguar packt zu", „Der Vagabund und das Kind" („The Kid“), „Witwer mit fünf Töchtern" — IV (Für Erwachsene): „London ruft Nordpol“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Die Freundin meines Mannes“ —V (Abzuraten): „Der Teufel im Leib".

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